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Die kleine Stadt (1909) bildet Heinrich Manns Beitrag zur ästhetischen Innovation in der Moderne. Entscheidend ist der enge Bezug zur italienischen Oper, den die Studie erstmals beleuchtet. Im produktiven Austausch der Künste entsteht ein Genre, das auf der polyphonen Synthese vieler Gestaltungselemente basiert. Inhaltlich entwirft es ein Demokratiemodell als Gegenpol zum deutschen Kaiserreich. Für dieses neuartige Genre führt die Autorin den Begriff ¿Opernroman¿ ein. Das Buch bestimmt Manns sinnliches Musikverständnis und dessen Relation zum politischen Anspruch des Autors. Die detaillierte Strukturanalyse orientiert sich am Vorbild der Oper und macht die virtuose Textur des Romans transparent. Die kulturhistorischen Kontexte der italienischen Operntradition, insbesondere Puccinis, sowie der Musikdiskussion französischer Literaten erweisen sich als zentral für die ästhetische Konzeption des Opernromans. Damit grenzt sich Heinrich Mann vom Wagnerischen Gesamtkunstwerk ab.
Die Motive Mord und Selbstmord im Werk des Sturm und Drang-Autors Jakob Michael Reinhold Lenz waren bislang ¿ obwohl Lenz enger Bezug zu Goethes Werther bekannt war ¿ noch nicht systematisch untersucht. Die Autorin zeigt, dass Lenz Selbstmordverständnis drei Phasen durchläuft (Frühphase bis 1768, Straßburger Jahre und Spätwerk ab 1779). In Straßburg entwickelt Lenz eine neue, durchaus ungewöhnliche Position: Die Selbstmorde seiner Figuren müssen vor dem Hintergrund von Lenz Theologie des freien Handelns gelesen werden, da die Selbstmörder dem göttlichen Postulat des Handelns folgen und nicht zufällig Christusmerkmale tragen. Gleichzeitig kann am Beispiel des Selbstmordes Lenz facettenreiches Verhältnis zum französischen Materialismus beschrieben werden. Obwohl Lenz den Materialisten um Paul Thiry d'Holbach kritisch gegenübersteht, rezipiert er Elemente von Holbachs Selbstmordverständnis aus dessen Werk System der Natur und verbindet diese mit christlichen Impulsen. Das Motiv Mord zeigt ¿ in Kongruenz zur Giftmetapher bei Rousseau ¿ die Brüchigkeit der gesellschaftlichen Strukturen und transportiert Kritik an einer falsch gelebten Aufklärung.
Heinrich Mann realisiert schon mit seinen beiden Romanen Die Jagd nach Liebe und Zwischen den Rassen seine ¿soziologische Romankonzeption¿. Im Medium der Fiktion nimmt er eine frühe Form der Mentalitätshistoriographie vor. Seine literarische Konstruktion weist außerdem entscheidende Übereinstimmungen mit Bourdieus Gesellschaftstheorie auf. Heinrich Mann entwirft an seinen Figuren Merkmale, die der Soziologe erst später als Charakteristika des Habitus herausstellt: die Implikationen von gesellschaftlichen Strukturen und dem gesamten Lebensstil, wie z.B. das Verhältnis zur Ästhetik, zum eigenen Körper und zum anderen Geschlecht. Heinrich Mann nutzt eine Fülle raffinierter narrativer Techniken und verbindet Kunst und Wissenschaft auf einem hohen ästhetischen Niveau. Die interdisziplinäre Ausrichtung dieses Buches stellt die Analyse der beiden Romane in einen kulturwissenschaftlichen Rahmen. Bourdieus Habituskonzept, seine Geschlechtersoziologie, die Konzepte der Mentalität und der Inszenierung sowie Genettes Erzähltheorie und Bachtins Romanpoetik werden zueinander in Beziehung gesetzt und bilden das theoretische Fundament, mit dem die beiden komplexen Romane erforscht werden.
Heinrich Mann stellt sich bereits in den 1910er Jahren den ästhetischen, ökonomischen und strukturellen Herausforderungen des neuen Mediums Film. Im Zuge der Nobilitierung des Kinos schreibt er ein Filmexposé nach einer eigenen Novellenvorlage und beweist seine Sensibilität für die kinematografischen Besonderheiten. In der Weimarer Republik wird der Film im Rahmen seiner politischen Auseinandersetzungen mit den zeitgenössischen Mentalitäten zu einer Signatur der Epoche. Gleichzeitig gerät er im Rahmen der Produktion des Films «Der blaue Engel» (1930) in die ausdifferenzierte Gemengelage von Ökonomie, Politik und Ästhetik. Mit dem Roman «Die große Sache» (1930) schreibt er als Reaktion auf die gesellschaftlichen Umbrüche und wahrnehmungsästhetischen Zäsuren eine Romantravestie des Medienzeitalters. Es ist nicht nur Heinrich Manns Konzeption des sozialen Romans und seine Kritik an der Gegenwartsgesellschaft, auch die biografischen Umstände haben Einfluss auf seine Auseinandersetzungen mit dem Film und dessen Bewertung. Innerhalb der biografischen Klammer bildet nach dem amerikanischen Exil die beginnende Arbeit an dem Romanverfilmung «Der Untertan» (1951) von Wolfgang Staudte den Abschluss der Überlegungen.
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