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Das Interesse der Studie gilt der sogenannten "e;Aventure Ajar"e;, einem von Romain Gary (1914-1980) im Zeitraum von 1974-1980 inszenierten Pseudonymenspiel, dessen Aufdeckung im Jahre 1981 im franzosischen Literaturbetrieb fur groe Uberraschung sorgte: Emile Ajar, jener junge Autor, dessen mysteriose Identitat lange Zeit die Medien beschaftigt und in den man vielfach groe Hoffnungen gesetzt hatte, erwies sich als der literarische Einzelganger Romain Gary, der seit 1946 publizierte und abseits der markanten Stromungen nach dem Zweiten Weltkrieg einen eigenen, wenig beachteten Weg gegangen war. Die Tatsache, da den vier mit dem Autornamen Emile Ajar gezeichneten Texten, deren originelle Sprachverwendung bald als style Ajar von sich reden machte, groerer Erfolg und eine wesentlich bewutere Lekture zuteil wurde als gleichzeitig verfaten Romanen Garys, fordert zu einer spezifisch literaturwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Pseudonymenspiel heraus. Neben den biographisch-motivationalen Aspekten der Inszenierung, die auch Garys Personlichkeitsideal des 'brennenden Ich' betreffen, steht das poetologische Verhaltnis der beiden Textserien zur Debatte. Da der ungewohnliche Fall auch Erkenntnismoglichkeiten im Bereich der allgemeinen Literaturtheorie bietet, beschaftigt sich Poier-Bernhard auch mit Themen wie der Konstitution literarischer Ironie, der Bedeutung des Autornamens, Pseudonymitat und Heteronymitat; zahlreiche andere, zum Vergleich herangezogene Texte der deutschen und der portugiesischen Literatur verleihen der Arbeit dabei eine komparatistische Weite. Einen theoretischen Schwerpunkt der Studie bildet Poier-Bernhards Beitrag zur Autobiographie-Diskussion, in dem der Versuch einer grundlegenden Begriffsklarung zum Zwecke einer prazisen Textsortenbestimmung unternommen wird.
Vor dem Hintergrund der Diskussion uber die krisenhafte Raumerfahrung der Fruhen Neuzeit untersucht die Autorin die Prasentation von Wahrnehmung und Perspektive in den Novellen von Cervantes (1547-1616). Der Vergleich mit Textbeispielen aus anderen spanischen Novellensammlungen des 16. und 17. Jahrhunderts (Timoneda, Lope de Vega, Cespedes y Meneses, Maria de Zayas) enthullt dabei eindrucklich bislang vernachlassigte Charakteristika des cervantinischen Schreibens. Die Verfasserin diskutiert den haufig unscharf verwendeten Begriff der Perspektive kritisch und untersucht die Darstellung der Wahrnehmungsperspektiven als syntagmatischen literarischen Ausdruck des Paradigmas der Perspektive. Im Mittelpunkt stehen erstmals die raumliche Perspektivierung der Wahrnehmung und der konkrete Wahrnehmungsakt. Es gelingt der Autorin, die bis heute "e;geheimnisvolle Perspektivenwirkung"e; (Hatzfeld), die auch Autoren wie Flaubert bei der Lekture von Cervantes verbluffte, durchschaubar zu machen. Der Leser gewinnt einen vertieften Einblick in die teilweise neuartigen Erzahlverfahren von Cervantes. In seinem Werk finden sich so Ansatze zu fokalisiertem Erzahlen, in dem Krisensituationen und Orientierungskrisen der Figuren ihren Ausdruck finden. Offengelegt wird damit ein erkenntnistheoretisches Problem, das auf die Moderne verweist. Statt einer bloen Opposition von engano und desengano, von Illusion und Desillusionierung, die der Barockliteratur immer wieder nachgesagt wurde, zeigt die Verfasseirn bei Cervantes eine differenzierte Darstellung des Wahrnehmungsaktes als Proze auf. Die synchrone und diachrone Perspektivierung der Wahrnehmung fuhrt in den Novellen von Cervantes zu einem kontextualisierten und subjektbezogenen Wahrheits- und Erkenntniskonzept. Dieses befindet sich im Spannungsverhaltnis zur 'gesteuerten Kultur' (Maravall) der spanischen Barockgesellschaft. Die Untersuchung bietet vielseitige Anregungen und neue Einsichten fur eine Auseinandersetzung mit Cervantes, dem spanischen 'Goldenen Zeitalter' sowie der Novellistik und Erzahltheorie der Fruhen Neuzeit und Moderne.
Spatestens seit Michael Bachtins Lekture stellt Francois Rabelais (1494-1553) eine zentrale Referenz fur die literarturwissenschaftliche Theoriebildung dar. Der Verfasser der ab 1532 erscheinenden Pentalogie erscheint als Autor von faszinierender Modernitat, als Ahnherr von Intertextualitat, Selbstreferenz oder Dekonstruktion. Solcherart Etiketten haben allerdings nur den Methodenstreit befordert, so da zahllose Fragen, die Rabelais` Romanwerk stellt, von der Forschung unbeantwortet sind. Exemplarisch lat sich das am "e;Gargantua"e; zeigen. Schwierigkeiten bereiten dort u.a. die Abschlukapitel mit der Beschreibung einer imaginaren Architektur. Die Funktion der hier greifbaren mnemotechnischen Verfahren wird nicht ansatzweise erkannt. Die vorliegende Arbeit verfolgt daher das Ziel, den Blick weg von modernen Identifikationen zu lenken, um die historische Differenz eines zeitlich fernen wie habituell fremden Literaturkonzepts paradigmatisch sichtbar zu machen, dessen Funktion Literatur als Lebensfuhrung benennt. Sie beschreitet dazu ein von der Rabelais-Forschung weithin unbetretenes Gebiet: Der Text des 1534/5 publizierten Romans wird zum einen im mediengeschichtlichen und paradigmatischen Rahmen seiner Entstehungssituation gelesen. Mit dieser Kontextualisierung ist eine weitere methodische Option verbunden. Die Kategorien der Mundlichkeits-/Schriftlichkeitsforschung eroffnen die Moglichkeit, pragmatische, mediale und materiale Faktoren in die Analyse einzubeziehen, die einem eng gefaten Textbegriff entgehen. Fur den "e;Gargantua"e; heit dies, da hier erstmals die literarische Relevanz von Praktiken des Lesens und Schreibens sowie der ihnen komplementaren Techniken der kulturellen Ubermittlung ins Blickfeld geraten. Dies betrifft vor allem die unter dem Begriff der Semi-Oralitat gefaten, fur mediale Ubergangssituationen typischen Rezeptions- und Produktionsformen von Literatur. Nicht zuletzt wird ein altes Problem der Rabelais-Forschung gelost: Die Studie weist erstmals den hohen Stellenwert der ars memorativa in der literarischen Konzeption nach und liefert damit einen Schlussel fur den Bau der Abtei von Theleme.
Die vorliegende Untersuchung behandelt die von 1945/46 bis 1962 erschienenen Romane Claude Simons (* 1913). Ihr liegt ein fiktiver Dialog zwischen dem nouveau romancier und Jean-Paul Sartre zugrunde. Dabei folgt sie einem mehrschichtigen Erkenntnisinteresse: (1) Das genuin literaturwissenschaftliche Anliegen ist die Interpretation der Romane Simons nach den Prämissen einer ideologiekritischen Hermeneutik. (2) Seit den 40er Jahren stehen in Frankreich Literatur, Literaturtheorie und Philosophie in einer besonders engen Beziehung zueinander. Diese soll anhand der zu interpretierenden Werke konkretisiert werden. (3) Schließlich versteht sich die Untersuchung als Beitrag zur literaturwissenschaftlichen Methodologie. Sie will versuchen, Wege aufzuzeigen, wie unterschiedliche, ja konkurrierende Diskurse - z.B. der Psychoanalyse und der Tiefenpsychologie - innerhalb eines Werkes oder einer Gruppe von Werken sinnvoll zu einer stringenten Interpretation zusammengeführt werden können. Den Auftakt bildet die Rekonstruktion der Genese eines existentialistischen Diskurses, die auf frühe Schriften von Sartre und Emmanuel Lévinas zurückgreift. Der Ansatz widerspricht nicht kategorisch einer 'postmodernen' Lektüre der Romane Simons, die dem dekonstruktivistischen Interpretationsparadigma der Differentialität folgt oder nach der Partikularität einer écriture simonienne forscht. Die Möglichkeit einer solchen Lektüre ist bereits in nuce mit der dem französischen Poststrukturalismus und dem nouveau roman gemeinen Absetzung vom französischen Existentialismus angelegt. Eine 'postmoderne' bzw. 'differentielle' Annäherung an die Romane Simons soll daher aus der Kontinuität des Oeuvres heraus vorbereitet werden. Simon bedient sich in Anlehnung an Rousset eines 'mißbrauchten' (Adorno) Barockbegriffs und verleiht seinen Romanen einen emblematischen Charakter, der auf eine mögliche 'differentielle' Lesart verweist. Den Abschluß der Untersuchung bildet ein Epilog zu den "Cinq Notes sur Claude Simon" von Maurice Merleau-Ponty.
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