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"Aisha" ist das erste Künstlerbuch Yumna Al-Arashis, einer jemenitisch-ägyptischen, in Amerika geborenen Fotografin und Filmemacherin. Dieses kraftvoll-sensible, von Arashis Urgrossmutter Aisha inspirierte Werk ist ihren weiblichen Vorfahren gewidmet, Frauen, die aus der vielschichtigen und vielseitigen SWANA Region stammen. Al-Arashi, die die Bedeutungen der Tätowierungen zu ergründen versucht, die den Körper ihrer Urgrossmutter bedeckten, taucht in die Komplexitäten einer symbolischen, matriarchalischen Tradition ein. Da sie in dem von Bürgerkriegen heimgesuchten Jemen keinen der Orte besuchen konnte, in denen ihre Familie gelebt hatte, bereiste Yumna Nordafrika, wo sie einer Gruppe von Frauen ihrer Generation begegnete: Alle sitzen und stehen, gestikulieren und lachen. Und alle strahlen eine grosse Selbstsicherheit und Lebensfreude aus. Al-Arashis Bilder sind behutsam, doch streng strukturiert, Strukturen, die die Frauen bewusst mit ihrer Umgebung verbinden und vice versa. Bunte Bilder voller Details, intim und provozierend, Bilder, die Verbundenheit und Zusammehalt ausstrahlen. In Texten und Gedichten reflektiert Al-Arashi ihre Erinnerungen an ihre Urgrossmutter und den Duft von Oud, das «eine magische Spur hinterliess, wo auch immer sie sich in ihrem Haus bewegte». In ihren genreübergreifenden Texten spricht Al-Arashi über koloniale Archive generationsübergreifendes Erzählen und die Komplexitäten einer transnationalen, weiblichen arabischen Identität in patriarchalischen, kapitalistischen und imperialistischen Gesellschaften.
"Noyan 2015-2022" wird das Erstlingswerk des Zürcher Fotografen Noah Noyan Wenzinger. Es erzählt fotografisch das Erwachsenwerden eines jungen Mannes, der stets mit seiner analogen Point-and-Shoot-Kamera im Gepäck alle möglichen Ereignisse auf seine ganz eigene Art und Weise festhält. Die Hauptprotagonist:innen sind enge Freund:innen Noyans, die ihn umgeben, inspirieren und mit ihm heranwachsen. Seine Bildsprache lässt sich dabei nur schwer einordnen und bildet ein Konglomerat aus diversen Einflüssen der Film-, Musik- und Gamingwelt sowie fotografischen Vorbildern wie Bruce Gilden, Walter Pfeiffer oder Ari Marcopoulos.Das Werk weist einen klaren Bezug zur Schweiz auf und dennoch ist spürbar, dass hier ein Einblick in die Generation Y-Z gewährt wird, der doch so gar nicht typisch ist für die Schweiz - sowohl im Bildinhalt wie auch in der Form. Genau in diesem Kontrast liegen auch das Reizvolle und die Bedeutung dieses Projekts."Noyan 2015-2022" ist ein sehr persönlicher Ausschnitt eines bereits umfangreichen Archivs, das der Künstler bei sich zu Hause in seiner Zürcher Wohnung aufbewahrt, wo sich auch das Herzstück seines Buches abspielt. Es sind Fotografien, die einerseits seinen Alltag zeigen, aber auch Aufnahmen des Nachtlebens, von Konzerten, Ferien oder Musikvideo-Stills. Das Buch wird ergänzt durch 16 Zeichnungen von Noah Stark (Clutterstew), der seinen unvergleichbar eigenen Charakter unermüdlich auf alles setzt, was ihm in die Finger kommt. Beide Künstler verbindet eine alte Freundschaft mit vielen geteilten Interessen, Ästhetiken und Geschichten.
FUTURE ist eine Serie von 5-6 Publikationen des Künstlerduos Taiyo Onorato & Nico Krebs, die im Laufe der nächsten Jahre bei der Edition Patrick Frey erschei-nen werden. Die verschiedenen Kapitel des Projekts werden laufend publiziert, ohne dass ein genauer Inhalts- oder Zeitplan feststeht. Es ist Teil des Konzeptes, dass relativ schnell publiziert wird und so auch auf direkte Geschehnisse oder Befindlichkeiten reagiert werden kann. Nach der Beschäftigung mit Zukunft und Erinnerung dreht sich die zweite Publikation der FUTURE-Serie um einen Ort, ein Reich, das uns direkt umgibt und für die meisten Menschen doch so fern und fremdartig ist, wie es sonst nur die Weiten des Alls sein könnten: die Welt unter der Wasseroberfläche. Erst durch den Einsatz von aufwendiger Technologie sind wir in der Lage, tiefer in diese Dimension vorzusto-ssen und sie zu erkunden. Mit der Exploration kommt direkt auch die Exploitation, und es besteht die Möglich-keit, dass diese Welt zerstört wird, bevor wir sie auch nur im Ansatz verstehen oder überhaupt zu sehen bekommen. Die Tiefsee ist ein gigantisches Projektionsgebiet, das schon seit jeher unsere Imagination anregt, weil in ihr alles möglich scheint. Es gelten andere Gesetze, andere Regeln, und auch deutet immer mehr darauf hin, dass wir dort unseren Ursprung - und in Form von Sedimenten wohl auch unser Ende - finden werden. Mit verschiedensten fotografischen Mitteln und Erfindungen erkunden Taiyo Onorato & Nico Krebs diese Welt und entwerfen Szenarien, in denen sich Forschung und Fiktion untrennbar miteinander vermi-schen.
Karen Kilimniks Künstlerbuch Early Drawings 1976-1998 ist eine Art Prequel zu Kilimniks Drawings, 1997 ebenfalls in der Edition Patrick Frey erschienen. Early Drawings 1976-1998 versammelt eine von der Künst-lerin zusammengestellte, reichhaltige und facettenreiche Gruppe von rund 130 bislang unveröffentlichten frühen Papierarbeiten. Neben detailliert ausgearbeiteten Pastellen finden sich hier unter anderem auch Tusche-zeichnungen aus den Jahren 1976 bis 1998, welche in ihrer Gesamtheit die komplexe und virtuose Themen-welt von Kilimnik beleuchten. Seit über vierzig Jahren bewegt sich Kilimnik in einem unerschöpflichen, von den Traditionen der romantischen Malerei, der Porträt- und der Landschafts-malerei informierten Kosmos. Sie räumt in ihrer Kunst unterschiedlichen Themen das gleiche Gewicht ein und zieht Inspiration aus zahlreichen Quellen - von Populärkultur, Märchen und Gemälden alter Meister über Fernsehsendungen, Filme, Literatur, Zeitschriften bis hin zu Werbung und Schaufensterauslagen. Dadurch lösen sich die Unterscheidungen zwischen «hoher» und «niedriger» Kultur auf. Diese kreative Verschmel-zung wurde bereits in Kilimniks frühen Arbeiten deutlich: nach einem Kunst- und Architekturstudium in Philadelphia zeigte sie Mitte der 1980er und Anfang der 1990er Jahre eine Reihe von genre-übergreifen-den Ausstellungen, in denen sie Gemälde, Fotografien, Zeichnungen, Skulpturen und Filme präsentierte. In ihren Werken setzt sie Mythologie und Weiblichkeit sowie historische und fiktionale Themen um. Early Drawings 1976-1998 erscheint anlässlich der gleichnamigen Doppelausstellung bei Galerie Eva Presenhuber in New York und bei Sprüth Magers in London, die im Frühsommer 2022 gezeigt wurde.
«Mad Dog» Vachon, «Tarzan Tyler» oder Masao «Rusher» Kimura - so wohlklingend wie furchteinflössend lauteten die Namen der Wrestler, die regelmässig gegeneinander an AWA-Wettkämpfen (American Wrestling Association) antraten, um sich in spektakulären Kämpfen publikumswirksam zu prügeln. Es ist Sommer 1969, der 9-jährige Darius Koehli verlässt Zürich und begleitet seinen Vater für einen neunmonatigen Aufenthalt in die USA. Plötzlich findet er sich in einer ihm völlig fremden Umgebung wieder. Und warum zum Geier muss es ausgerechnet Omaha, Nebraska sein? Glücklicherweise freundet er sich schnell mit Carl an, dem Sohn der Nachbarn. Diese nehmen ihn zum angesagtesten Ort der Stadt mit, ins Civic Auditorium, um Wrestling-Kämpfe zu sehen. Mit seiner nigelnagelneuen Kodak Instamatic beginnt Darius zu fotografieren, hält die Helden des Rings vor, während und nach den Kämpfen fest. Mit einem bemerkenswerten Blick für Situationskomik und aus der Perspektive des 9-Jährigen entstehen hunderte von Bildern, deren fürs Buch getroffene Auswahl einen Einblick in eine längst vergangene Epoche gewährt, als das professionelle Wrestling gerade am Durchstarten war und im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Im Sommer 2019 stösst Koehli anlässlich eines Besuches in Zürich auf das Album, das 50 Jahre zuvor entstanden war. Erinnerungen aus Omaha steigen wieder hoch, magische Namen tauchen aus der Vergangenheit auf. Sie erzählen von vollen Arenen und reisserischen Ansagern, vom begeisterten Publikum, das lautstark die Wrestler anfeuert, von Schweiss und Blut, von mysteriösen maskierten Komplizen, von gestählten Körpern und halten Momente von choreografierten, ja anmutigen Begegnungen fest.
So verschieden die Leben, so verschieden die Biografien. Und doch ist Magnificent Obsessions Saved My Life eine (Auto-)Biografie der besonderen Art: Nicht nur fokussiert das Buch fast schlaglichtartig Schlüsselszenen im Leben eines Menschen der Nachkriegsgeneration, aufgewachsen, wie so viele, in einer dysfunktionalen Familie, vor dem Hintergrund geteilter Erfahrungen der 68er-Generation mit ihrer sexuellen Befreiung sowie zwei hautnah erlebter Pandemien - Aids und Corona. Im Dialog auch mit Werken des grossen Hollywood-Kinos, der Film-Avantgarde und zeitgenössischer Kunst bringen sie sich gegenseitig erst zum Sprechen. Denn ein Film, ein Kunstwerk ist nichts, wenn es einem nichts über das eigene Leben sagt. Kino und Kunst - und eben dieses Buch: Stets erzählt es über das, was war und was möglich gewesen wäre, wer man ist und wer man hätte sein wollen. Magnificent Obsessions tut dies in Text und Bild, angereichert mit Filmstills aus Brunners eindrücklicher Sammlung sowie Reproduktionen geliebter Kunstwerke. Erzählt wird, wie sich die Welt, das Reisen, die Hotels und Ausstellungen seit Mitte des 20. Jahrhunderts verändert haben, welche Kleidung und Haarschnitte man damals trug und heute trägt. Aber wie im Film stehen die Menschen im Zentrum, Protagonist:innen, über die Brunner mal beissend direkt, aber auch zugewandt und bisweilen fast zärtlich schreibt. Im Moment, als er seine Lebensliebe, den Galeristen Thomas Ammann, an Aids verliert, spricht er vom geteilten Glück, um nicht von der Trauer aufgefressen zu werden. Er erinnert sich an seine glamouröse Geliebte Elisabeth Bossard (Thema Selection), mit der er lange Jahre zusammen gewesen ist, erzählt anekdotisch von einem Venedig-Flirt mit Edmund White, dem amerikanischen Schriftsteller, der ihm ein Freund geworden ist, oder berichtet von der Hass-Liebe zu Daniel Schmid, wobei er einen intimen Einblick in das Kino und Umfeld auch der Filmemacher Fassbinder und Schröter gewährt.¿Es gibt immer zwei Bewegungen in diesem Leben: eine Flucht in die Künste wie auch den Willen und die Grosszügigkeit, diese Obsessionen zu teilen, sie unermüdlich zu vermitteln. Brunner brachte schon früh - an der Zensur vorbei -Filme von John Waters oder Andy Warhol, mit denen er auch freundschaftlich verbunden war, in die Schweiz. Vor der Verbreitung des Internet hätte man diese sonst nicht oder erst viel später zu sehen bekommen. Brunner weiss um Licht- und Schattenseiten der Traumfabrik, lässt sich aber immer wieder gerne verführen: Imitation of Life, so der Titel eines des grossen Melodramen des Regisseurs Douglas Sirk, den Brunner verehrt und dessen Nachlass er heute betreut. Kein Zufall, sind die «Bigger than Life»-Filme des Melodramas doch das beliebteste Filmgenre von Brunner, wozu auch Werke von Vincente Minnelli, Nicolas Ray, Pedro Almodóvar oder Rainer Werner Fassbinder gehören, Leuchttürme auf stürmischer See und sicherer Hafen in einem bewegten Leben.
Die KünstlerInnen Vera Lehndorff und Holger Trülzsch entwickelten in einer sich von den 1970er- bis in die späten 1980er-Jahre erstreckenden, intensiven Schaffensphase ein eindrücklich-innovatives OEuvre inszenatorischer Fotografie von Körpermalereien - einer Synthese aus Malerei, Fotografie und Performance. In Body Paintings 1970-1988 finden Lehndorff/Trülzsch einen neuen Blick auf die gemeinsamen Fotoserien, indem sie die Bilder der Werkzyklen, faksimiliertes Archivmaterial - darunter Essays von Susan Sontag und Gary Indiana - sowie kontextuelle Erläuterungen und Referenzbilder verweben. Die Publikation reflektiert so dialogisch Geschlechteridentitäten und den Umgang mit dem weiblichen Körper vor dem Hintergrund medial-popkultureller Entwicklungen sowie der Kunstproduktion der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis zur Gegenwart.
120 bpm ist die durchschnittliche Anzahl «beats per minute» eines Clubtracks. Wie es dem Medium entspricht, versammelt auch das Buch 120 bpm dichte, nach vorn treibende Bildabfolgen jener Jahre des Aufbruchs, als Techno in der Schweiz zu einer der letzten grossen Jugendbewegungen wurde, welche das Nachtleben, die Clubs sowie die stetige Innovation elektronischer Tanzmusik bis heute prägen.Der Schweizer Fotograf Philipp Mueller dokumentierte diese frühe Phase des Techno Anfang der 1990er in unmittelbar-rohen Aufnahmen von den ersten Zürcher Street Parades, illegalen Raves, Partys - backstage in Clubs und in der Intimität des Privaten - für verschiedene Publikationen. In 120 bpm verschränken sich Muellers Aufnahmen mit faksimilierten Rave-Magazin- und Fanzine-Seiten und Erzählungen damaliger Protagonist*innen.
"Acts of Appearance" wurde gemeinsam mit Pappmach - Künstler:innen der Kokna- und Warli-Stammesgemeinschaften in einem Adivasi-Dorf im Palghar District realisiert. Dieser landeinwärts von Dahan gelegene Distrikt ist einer der ärmsten im indischen Bundestaat Maharashtra. Gills Protagonist:innen/Mitarbeitende sind berühmt für ihre Pappmach - Arbeiten, vor allem auch für die rituellen Masken, die sie für die alljährlich stattfindende Bohada-Prozession anfertigen. Auf Gauri Gills Bildern gehen die Künstler:innen wie auch die einheimischen Freiwilligen, die speziell für das 2014 begonnene Projekt gefertigte Masken tragen, ihren täglichen Gesch ften nach. Die neuen Kreationen zeigen mit den physischen Eigenschaften normaler Menschen ausgestattete Personen, Tiere oder für wertvoll erachtete Gegenstände. In Gills Fotografien vermischen sich in der Realität wie auch in Traumgefilden angesiedelte Szenarien und Narrative. Es sind symbolische oder spielerische Darstellungen und gleichzeitig Bilder aus dem Alltag der einzelnen Mitarbeitenden im Kontext ihrer Umgebung und Kultur."Acts of Appearance" wurde als Gemeinschaftsprojekt konzipiert, an dem folgende Künstler:innen teilnahmen: Bhagvan Dharma Kadu, Subhas Dharma Kadu, Yuvraj Bhagvan Kadu, Rahul Arvind Kakad, Madhuri Subhas Kadu, Vaibhav Subhas Kadu, Rahul Bhagvan Kadu, Makhaval Bhagvan Kadu, Mukta Subhas Kadu, Rangeeta Arvind Kakad, Sampat Raho Vazare, Gangubai Eshwar Vazare, Rajashri Eshwar Vazare, Darshana Devram Kakad, Ganesh Ganpat Lokhande, Sangeeta GaneshLokhande, Sangeeta Navnath Kadu, Kusum Bhagvan Kadu, Harishchandra Rama Kadu, Suvrna Harishchandra Vad, Anjana Sachin Kurbude, Sachin Sankar Kurbude, Sanjay Sakharam Vatas, Ganpat Ganga Lokhande, Rupesh Arvind Kakad, Nalini Pradip Valvi, Jyoti Sanjay Vatas, Shravan Budhya Tumbda, Saraswati Subhas Kadu, Sapna Bhagvan Kadu, Bhawna Bhagvan Kadu, Pooja Arvind Kakad, Tushar Prakash Vatas, Tushar Dinkar Vatas, Vijaya Navnath Kadu, Suraj Tukaram Vad, Nishant Tulshiram Thalkar und Nilam Sunil Marad.
Der Titel dieses Buches verrät uns, wer hier vor der Kamera steht: Kathleen McCain Engman posiert seit 2009 für ihren Sohn Charlie. In "MOM" treten wir einer Frau gegenüber, die wir nie kennenlernen: ihr intensiver Blick und die mit Sommersprossen besiedelte Haut werden uns zwar bald vertraut, doch die Rollen, die sie in den Bildern einnimmt, werden zunehmend unklarer. Engman begann seine Mutter abzubilden, weil sie verfügbar war und stets bereit ist, den Ansprüchen ihrer Kinder gerecht zu werden. Was als eine natürliche Sache seinen Lauf nahm, verwandelte sich in eine intensive Zusammenarbeit. Das Resultat ist weder ein Familienalbum noch eine Hommage an eine Mutter, sondern eine viel tiefere und weit komplexere Interaktion. Eine, welche die Limitationen von Vertrautheit sowie die Regeln und Begrenzungen um Rolle und Repräsentation, Verletzlichkeit und Kontrolle hinterfragt. Eine auch, die sich mit dem Sehen und Gesehen-werden beschäftigt.
Der Zeichner Josef Herzog (1939-1998) setzt den Anfang seines gültigen Werks ins Jahr 1964. Es entstehen Aquarelle mit klar umrissenen, flächigen surrealen Konfigurationen und Tuschezeichnungen mit blattfüllenden labyrinthischen Zellstrukturen. Herzog bleibt dem Medium der Zeichnung und des Aquarells in seinem gesamten Schaffen treu. Das Sujet der Zeichnung und die Atmosphäre verändern sich dabei stetig, wobei die Linie als prägendes Element in seinem Werk eine sich wandelnde Konstante bildet. Seit 1975 verwendet der Künstler die Linie nicht mehr als formdefinierende Silhouette, sondern als eigenständiges, von jeglicher beschreibenden Funktion befreites Ausdrucksmittel, sei es in Bleistift-, Ölkreide-, Tusche- und Kugelschreiberzeichnungen oder in Aquarellen. Abgesehen von wenigen Werkgruppen mit vereinzelten flächigen Elementen beschränkt sich Josef Herzog konsequent auf die Möglichkeiten rein linearer Gestaltung. Die Linien differieren in ihrem Charakter beträchtlich von einer Werkgruppe zur nächsten, je nach Format und Wahl des Zeichenmittels, das gerade durch die vollständige Verdrängung benennbarer Motive an Bedeutung gewinnt.Zu Josef Herzogs Werk sind ab 1971 Beiträge erschienen. Ein aktueller Blick auf das überbordende zeichnerische Schaffen hingegen fehlt. Die Monografie zur Ausstellung im Kunstmuseum Luzern ab März 2022 will diese Lücke füllen und zeigt Josef Herzogs Schaffen ab den 1970er-Jahren.
Trix und Robert Haussmann sind in der Schweiz wie im Ausland für ihren enormen gemeinsamen Beitrag zur Gestaltung und Inneneinrichtung bekannt. Sie leben und arbeiten seit den Sechzigerjahren miteinander, gestalten und bewohnen auch symbiotisch wunderschöne Interieurs voller Kunst und schöner Dinge. Man kann sich die beiden - wie auch ihre Wohnungen - als ein doppeltes Selbstbildnis in laufender Weiterentwicklung vorstellen. Die Haussmanns pflegen seit langem enge Verbindungen zur Avantgarde ihrer Zeit. Sie haben verschiedene Trends und Kunstströmungen mitgemacht und beteiligten sich aktiv an den Szenen von Zürich oder Bern. Dieses Buch dokumentiert ihre unzähligen Kontakte und Gespräche mit Künstler:innen, Galerist:innen und kreativen Seelenverwandten. Es bezeugt so auch ihr lebenslanges Interesse an bildender Kunst, ihr aktives, begeistertes Mitmischen im Schweizer Kunstgeschehen und ihr eher spielerisches Bekenntnis zu diesem. Ein Gespräch mit dem Schweizer Autor und Kurator Dieter Schwarz offenbart etliche Ereignisse und Anekdoten, die vom faszinierenden Leben des Paares mit der Kunst erzählen, die sie im Lauf ihrer beider Leben und Karrieren eher intuitiv als mit irgendeiner Strategie im Hinterkopf gesammelt haben. Die zahlreichen fotografischen Dokumente ihrer ausgefallenen und einigermaßen extravaganten Einrichtungen umspannen fast fünf Jahrzehnte und mehrere Wohnungen. Sie sind exemplarisch für die charakteristische Art und Weise, in der Trix und Robert Haussmann Kunstwerken neben - unter anderem eigenen - Möbeln und diversen Artefakten in ihrem Alltag ein Zuhause geben. Die Fotos veranschaulichen auch ihren eigenwilligen und spielerischen Umgang mit Spiegeln.
Klodin Erbs Werkserie Orlando basiert auf der gleichnamigen Geschichte von Virginia Woolf, in der eine Person über 500 Jahre lebt und dabei das Geschlecht auf geheimnisvolle Art und Weise wechselt. Sie umfasst bis jetzt annähernd 200 gemalte Portraits in unterschiedlichsten Stilarten. Die meist kleinformatigen Bilder zeigen männliche und weibliche, sowie Portraits undefinierten Geschlechts. Dieser Bilder-Zyklus ist einerseits eine Studie der Portraitmalerei, welche auch «die Kunstgeschichte und die darin innewohnende und damit verbundene Zeit» thematisiert, wie die Künstlerin erklärte, und andererseits eine Untersuchung ihrer eigenen Identität als Malerin. «Die schiere Menge an Bildern ermöglicht ein Eintauchen in Gesichter, ein Sich-darin-Verlieren und transformiert die Betrachter zu universellen Wesen in zeitlosem Dasein.» - Modelle der Abgrenzung und Identifizierung werden dadurch aufgelöst und in einem grösseren Kontext neu verhandelt (Ich sind viele, ich bin du, etc.).Klodin Erbs künstlerische Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlich relevanten Ansatz der Identität wurde diskursiv erweitert mit einem Dinergespräch im Pavillon des Strandbads Tiefenbrunnen. Ziel war es, durch Kostümierung und Schminke das alltägliche Ich abzulegen und durch das spielerisch erprobte Meta-Ich im experimentellen Rahmen eines Performance Abendessens über die inhaltlichen Themen des Orlando-Zyklus zu diskutieren - Identität, Geschlecht und Rollenmodelle,Konstrukt Zeit, Altern und der Wunsch nach ewigem Leben/Jugend, Humanoids und künstliche Intelligenz, der letzte Mensch. Das Transkript dieses Gesprächs zieht sich als roter Faden durch das Buch.
Grimmig glotzt es aus seinen weit aufgerissenen blutunterlaufenen Augen. Die Reihe Tentakel, die seine Mundöffnung verbirgt, scheint gierig zu zittern. Beim Nächsten ist die Membran über dem Kopf so dünn, dass das darunterliegende Hirn hervorquillt. Wieder andere haben Gesichter so flach wie die von Reptilien, Köpfe wie Hunde, Rüssel oder Schnäbel, spitze Ohren. Bei manchen stossen Zähne durch den Scheitel oder Fühler. Wo man hinschaut - Warzen, krankhaft wuchernde borstige Haarbüschel, starrende Zyklopenaugen, Hängeohren, dann ein verschmitztes zahnloses Grinsen, riesige Augen mit Mehrfachpupillen. Dazwischen Details von Ärmeln, Manschetten- und Hemdknöpfen aus Totenköpfen wie aus dem Versandkatalog des Grauens. "Monsters in Suits" präsentiert diesen ganzen Horror fein säuberlich in quasi-offiziellen Brustbildern. Dunkelblauer Kugelschreiber bannt die «verzerrten» Porträts von Grössen aus Politik und Wirtschaft auf das weisse Papier. Doch der CEO von Nestlé («Wasser ist kein Menschenrecht»), der Anführer des Ku-Klux-Klans, diverse Rädelsführer der jungen Rechtsextremen sind nicht direkt dargestellt. Vielmehr vermischen sich diese im Unterbewusstsein zu grotesken Schreckgestalten, die hier in pseudo-politisch korrektem Anzug, mit Hemd und Schlips, wieder in Erscheinung treten. Sie sind ready for business, für das grosse Geschäft mit dem Wohl der Welt. Doch für einmal zeigen sie hier ihre wahre Fratze.
1978 erscheint der Fotoband Liebes Leben über die Zürcher Künstlermuse und Prostituierte Irene, auch 'Lady Shiva' genannt, von Roswitha Hecke zum ersten Mal. Es wird nicht nur zum Kultbuch, sondern ein Welterfolg. Mehrmals aufgelegt und in etliche Sprachen übersetzt, ist es jetzt endlich wieder erhältlich.In der Edition Patrick Frey erscheint Irene in einer neuen, veränderten Auflage mit noch nie veröffentlichten Bildern.Die 1944 in Hamburg geborene Fotografin Roswitha Hecke lernt Irene am Filmset bei Werner Schroeter kennen. Irene, ein heimlicher Star der damaligen Zürcher Bohème, arbeitete bis zu ihrem tragischen Unfalltod als Prostituierte. Während drei Wochen fotografiert Hecke ihren Alltag in Zürich und begleitet sienach Rom, wo Irene immer ihren Geburtstag feierte. Entstanden ist ein subtiles und starkes Porträt einer eben so schönen wie selbstbewussten Frau mit unnachahmlicher, erotischer Ausstrahlung und stolzer Eleganz. In einer Mischung aus inszenatorischer und dokumentarischer Herangehensweise entstanden Bildervon einzigartiger Unmittelbarkeit und Gegenwärtigkeit.'Irene wollte schön sein, eine Frau sein, frei sein. Sie war direkt und launischwie ein Kind. Sie liebte den Flirt mehr als die Ehe. Spannung mehr als Harmonie.Sehnsucht mehr als Befriedigung. Und Distanz mehr als Berühung. Mit allerKonsequenz lebte sie ihr Leben danach.' (Roswitha Hecke)
«Ein besonderer Moment im Fotografieren ist der Augenblick kurz vor dem Abdrücken, wenn du ganz unbewusst von etwas bewegt wirst. Du versuchst ihn festzuhalten, diesen flüchtigen Augenblick, in dem die Gefühle durch dich fliessen ohne dass du sie ganz verstehst. Diese Bilder versuchen diesen Moment mittels Fotografie zu bewahren und verkörpern meine persönliche Interaktion mit Korea, wo diese Bilder gemacht wurden. Der unerwartete Fluss an Gefühlen, den man nur augenblicklich vor dem Abdrücken erlebt, formt meine Erfahrung der Welt und definiert mich als Person. Diese unbeschönigten Darstellungen vonSüdkoreas einfachen Randgebieten blicken in die Tiefen menschlicher Einsamkeit. Sie verbildlichen das unbewusste Streben der Menschen, sich mit ihrer Einsamkeit abzufinden, schauen dem Mensch-Sein mit einer gefassten Gelassenheit ins Gesicht.»- Jong Won RheeDie Menschen in Jong Won Rhees Bildern sind meist abgewandt oder in sich selbst gekehrt. Die charakteristischen blauen Dächer, der blühende Mohn, die lauten Reklametafeln und Ladenschilder, die gebündelten Frühlingszwiebeln am Marktstand, die saftigen Felder wirken alle farbiger als die Menschen, welche uns in diesen zeitgenössischen Alltagsszenen begegnen.
FUTURE ist eine Serie von 5-6 Publikationen von Taiyo Onorato & Nico Krebs, die im Laufe der nächsten Jahre bei der Edition Patrick Frey erscheinen werden. Die verschiedenen Kapitel des Projektes werden laufend publiziert, ohne dass ein genauer Inhalts- oder Zeitplan feststeht. Es ist Teil des Konzeptes, dass relativ schnell publiziert und so auch auf direkte Geschehnisse oder Befindlichkeiten reagiert werden kann. Die erste Publikation der FUTURE-Serie erscheint unter dem Titel FUTURE MEMORIES und befasst sich mit der Frage, wie sich unsere Vorstellung von Zukunft in den letzten Dekaden verändert hat, wie sich das auf die Empfindung der Gegenwart auswirkt und wie wir den kommenden Veränderungen gegenüberstehen. Die vor allem aus Archivmaterial von Taiyo Onorato &Nico Krebs neu geschaffenen Bilder sind auch eine materielle Auseinandersetzung damit, dass jede Imagination und Illustration der Zukunft immer eine Collage von Bildern aus der Vergangenheit ist. Mit einer Kombination von analoger Grossformat- Fotografie und verschiedenen digital gesteuerten Laser-Technologien wurde eine Bildwelt kreiert, die mit SciFi-Referenzen operiert und sich assoziativ einer Gefühlswelt annähert, die zwischen dem Optimismus der Kindheit der Autoren und der dystopisch gefärbten Gegenwart hin- und herpendelt.
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