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Obwohl das gefahrenabwehrrechtliche Notstandsinstitut seit geraumer Zeit von der Rechtsordnung anerkannt wird und schwerwiegende Eingriffe in die Grundrechte Nichtverantwortlicher legitimieren soll, stellen sich in seinem Kontext bis heute unbeantwortete Rechtsfragen. Diese Ausgangslage nimmt Tim Seidel zum Anlass, das Notstandsinstitut einer grundlegenden Untersuchung zu unterziehen. Dabei analysiert er den Anwendungsbereich der Notstandsregelungen in Abgrenzung zu anderen Konstellationen mit unbeteiligten Personen, beurteilt die methodengerechte Implementation der Vorschriften im Sonderordnungsrecht und bildet anhand der verfassungsrechtlichen Hintergründe Maßgaben für die einfachgesetzliche Ausgestaltung. Die gewonnenen Erkenntnisse nutzt er, um Lösungsvorschläge für die Behandlung des unechten Notstands im Versammlungsrecht und die Bestimmung des Verhältnisses zur Hilfeleistungspflicht aus § 323c StGB zu unterbreiten. Den Gesetzgebern zeigt er normative Gestaltungsalternativen auf. Die Arbeit wurde mit dem Promotionspreis der Rechtsanwaltskammer München 2023 ausgezeichnet.
Ohne neue Finanzierung wird eine Sanierung, deren Erfolg typischerweise für alle Beteiligten vorteilhaft ist, meist nicht gelingen. Scheitert der Sanierungsversuch jedoch, drohen für Geldgeber und alle übrigen Beteiligten erhebliche Nachteile. Johannes Locher untersucht, wie Sanierungsfinanzierer in Deutschland und Frankreich vor den Risiken eines Liquidationsverfahrens geschützt werden. Beleuchtet wird dabei insbesondere, welche Rolle die geradezu konträren Verfahrenszwecke spielen, die heute in Deutschland und Frankreich ausgemacht werden können. Hierauf aufbauend untersucht er unter Einbeziehung auch verfassungsrechtlicher sowie ökonomischer Erwägungen, inwiefern Schutzlücken im deutschen Recht trotz der unterschiedlichen Verfahrensziele nach dem Vorbild des französischen Rechts geschlossen werden könnten. Dabei zeigt sich insbesondere, dass die Verfahrenszwecke für Begründung und Grenzen von Schutzmechanismen von entscheidender Bedeutung sind und damit bei Harmonisierungsversuchen allgemein einbezogen werden sollten. Das Werk wurde mit dem Promotionspreis der Georg-F.-Rössler-Stiftung im Verein der Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof für das Jahr 2023 ausgezeichnet.
Andreas Lehnardt legt die erste deutsche Übersetzung des Traktates Shevi¿it (Siebentjahr) samt eines kurzen Kommentares vor. Massekhet Shevi¿it ist der fünfte Traktat der ersten Ordnung, Zeräim (Saaten). Er behandelt die biblischen Gesetze des Siebentjahres gemäß Exodus 23,10-11, Levitikus 25,1-7 und Deuteronomium 15,1-3. Der Traktat ist ein Kommentar zum gleichnamigen Mischna-Traktat und folgt seinem Aufbau. Die Übersetzung basiert auf der Krotoszyn-Ausgabe von 1865/66, es wurden jedoch alle verfügbaren Textzeugen wie sie in der Synopse zum Talmud Yerushalmi herausgegeben wurden und zusätzliche Fragmente aus der Kairoer Genizah sowie ein neu entdecktes Einbandfragment berücksichtigt. Der deutsche Kommentar bedient sich sowohl traditioneller Auslegungswerke als auch moderner wissenschaftlicher Literatur und erörtert die wichtigsten Fragen der handschriftlichen Überlieferung sowie der Interpretation der Halakha. Der Band bietet eine Bibliographie sowie ein Verzeichnis biblischer Zitate, der Parallelen in der rabbinischen Literatur und Verzeichnisse von Personen und Ortsnamen.
Das Gelingen demokratischer Repräsentation wird immer wieder in Frage gestellt. Krisenrhetorik von innen und außen trägt zur Verunsicherung bei, ob parlamentarische Demokratien die sich auftürmenden Großfragen lösen können. Zu den Krisenmarkierungen gehört die Diagnose der "Entparlamentarisierung". Die Bezeichnung ist vage und vielfältig einsetzbar, kann parlamentsfreundliche Kritik ebenso transportieren wie parlamentsfeindliche Ressentiments. Historische Distanzierung ist notwendig, will man das analytische Potential bewahren. Entparlamentarisierungsdiagnosen sind denn auch älter als die postmodernen Postparlamentarismus-Narrative der 1990er Jahre vermuten lassen. Der Band bietet Einblicke in die komplexen Praxis- und Deutungsgeschichten des Parlamentarismus im 20. Jahrhundert. Sie spiegeln den Kampf um die parlamentarische Demokratie im 20. Jahrhundert, zeitgebunden, aber nicht vergangen.
Öffentliche Übernahmen gelten als locus classicus des Insiderhandels. Ihre insiderrechtskonforme Gestaltung kann sowohl den Bieter als auch die Zielgesellschaft vor Herausforderungen stellen. Vor dem Hintergrund der erstmaligen Kodifizierung spezieller Regelungen für öffentliche Übernahmen in der Marktmissbrauchsverordnung untersucht Désirée Höwing typische Konstellationen, die sich im Verlauf eines öffentlichen Übernahmeverfahrens ergeben können, auf ihre Vereinbarkeit mit dem insiderrechtlichen Handels- und Offenlegungsverbot. Dabei entwickelt sie insbesondere ein Konzept für die Offenlegung sogenannter fremder Insiderinformationen, die nicht der Sphäre des Offenlegenden entstammen. Einen weiteren Schwerpunkt der Untersuchung bilden Lösungsmöglichkeiten für das Dilemma des Bieters, wenn er Kenntnis von zumindest einer positiv wirkenden Insiderinformation in Bezug auf die Zielgesellschaft erlangt hat und die Zielgesellschaft sich weigert, diese zu publizieren (sogenannte Insiderfalle).
Bei Bargeld handelt es sich um ein Zahlungsmittel, das über Grundprinzipien und Charakteristika verfügt, die bei keinem anderen Zahlungsmittel in dieser Gestalt vorzufinden sind. So ist Bargeld nicht nur höchst anonymitätswahrend, sondern es erlaubt auch unmittelbare Vermögensverschiebungen ohne die Einschaltung von Dritten in den Zahlungsprozess. Mit Zentralbanken als hoheitlichen Ausgabestellen ist es zudem frei von Liquiditäts- und Kreditrisiken. Schon deshalb drängt sich die Frage auf, ob mithilfe einer von der EZB angekündigten sog. Retail Central Bank Digital Currency, also einer digitalen Zentralbankgeldform für den Privatkundenbereich, bargeldgleiche oder zumindest bargeldähnliche Eigenschaften nachbildbar wären. Entlang der prägenden Eigenschaften von Bargeld untersucht Maximilian Beilner, ob ein digitales Bargeld in rechtlicher Hinsicht realisierbar wäre.
Zahlreiche Menschen in Deutschland sind ungewollt kinderlos. Oft kann der Kinderwunsch heute mithilfe reproduktionsmedizinischer Behandlungen ermöglicht werden. Hat eine Frau keine Gebärmutter oder will sich ein Männerpaar seinen Kinderwunsch erfüllen, stößt die Reproduktionsmedizin jedoch an ihre Grenzen. In diesen Fällen böte die Leihmutterschaft einen Weg aus der ungewollten Kinderlosigkeit, den das geltende deutsche Recht allerdings versperrt. Die Beschränkung der reproduktiven Selbstbestimmung wird verstärkt kritisiert, und auch der aktuelle Koalitionsvertrag öffnet sich der Möglichkeit der Legalisierung der Leihmutterschaft. Ob die Argumentation gegen Leihmutterschaft die Beibehaltung der geltenden Rechtslage erfordert und wie ein alternatives Regelungskonzept aussehen könnte, untersucht Sophie-Marie Humbert. Dabei beschränkt sie sich nicht auf eine rein rechtliche Diskussion, sondern bezieht maßgeblich moralphilosophische Literatur sowie die einschlägige Studienlage ein.
Die Frage, was staatliche Strafe ihrer Essenz nach eigentlich ist und ob und wie sie sich rechtfertigen lässt, ist alt und frustrierend. Häufig wird ihr mittels Verweisen auf vermeintlich intuitive Gewissheiten aus dem Weg gegangen. Nichtsdestotrotz ist die staatliche Strafe bis heute Gegenstand heftiger Debatten. Sie werfen ein Schlaglicht auf eine Institution, deren Natur und Rechtfertigung in ihrem Kernbereich vage geblieben sind. Vor diesem Hintergrund nimmt Kristina Peters die Straftheorie Hegels in den Blick und bringt sie in einen Dialog mit aktuellen Entwürfen. Wo hat sich die Debatte weiterentwickelt? Wo bestehen alte Probleme fort? Wo war die Diskussion vielleicht schon einmal weiter? Kurz: Sollten sich diejenigen, die sich der schwierigen Aufgabe stellen, eine tragfähige moderne Straftheorie zu entwickeln, überhaupt noch mit Hegel auseinandersetzen?
Die institutionelle Handelsschiedsgerichtsbarkeit verzeichnet einen fortschreitenden Bedeutungsgewinn. Mit wachsenden Befugnissen ausgestattete Schiedsorganisationen agieren in einem Umfeld konfrontationsbereiter Schiedsparteien. In Konfliktfällen ist Klarheit über die Grundlagen des Rechtsverhältnisses zur Schiedsorganisation elementar. Dazu würdigt Christian Johannes Wahnschaffe die Qualifikation des Schiedsorganisationsvertrages, dessen Statut, Zustandekommen und Vertragstypus sowie die Rechtsnatur schiedsinstitutionellen Handelns. Es folgt eine systematische Untersuchung zu den Anforderungen an eine Schiedsorganisation hinsichtlich der Gewährung rechtlichen Gehörs und ihrer Neutralität nach nationalen wie internationalen Rechtsquellen. Der dritte Teil konkretisiert schließlich rechtliche Parameter (möglicher) Konfliktsituationen: einerseits die Loslösung einzelner Beteiligter, andererseits die gerichtliche Überprüfung schiedsinstitutionellen Handelns, letzteres insbesondere in Aufhebungs- oder Haftungsverfahren. Der Autor schließt mit Reflexionen zur Rolle der Schiedsorganisation als Hüterin der Verfahrensintegrität.
In Reaktion auf die globale Finanzkrise der Jahre 2007-2009 wurden in einer Reihe von Rechtsordnungen Bankenstrukturreformen eingeleitet und zum Teil umgesetzt. Diese gesetzgeberischen Bestrebungen zählen zu den wohl umstrittensten und im Hinblick auf die Intensität des Eingriffs in etablierte betriebswirtschaftliche Geschäftsmodelle und die Organisationsverfassung von Banken und Bankengruppen ambitioniertesten Reformvorhaben. In unterschiedlicher Weise und Intensität wird eine systemische Trennung zwischen besonders schutzbedürftigen "systemrelevanten" Geschäftsaktivitäten und solchen, die im Insolvenzfall ohne Ansteckungsrisiken für die Systemstabilität abgewickelt werden sollen, erzwungen. Christiane Hellstern untersucht die Anwendungsprobleme, Reformansätze und die mit der Umsetzung einhergehenden Folgefragen für bestehende Bankenstrukturen, die durch pfadabhängige Organisationsmodelle, das jeweilige Marktumfeld sowie durch die jeweils anwendbaren Gesellschafts-, Aufsichts- und Insolvenzrechte unterschiedlich gewachsen sind. Die Arbeit wurde mit dem Promotionspreis der Reinhold-und-Maria-Teufel-Stiftung 2021 ausgezeichnet.
In einer zunehmend multipolaren Staatengemeinschaft kollidiert außen- und sicherheitspolitisch motivierte Gesetzgebung vermehrt mit den transnationalen Strukturen des globalen Wirtschaftsverkehrs. Auch internationale Schiedsgerichte sehen sich unweigerlich mit widersprüchlichen normativen Anforderungen staatlicher Regulierung konfrontiert. Vor diesem Hintergrund zeichnet Edward L. Rensmann die Architektur des international zwingenden Rechts im internationalen Schiedsverfahren nach und schlüsselt den Entscheidungsprozess des Schiedsgerichts im Umgang mit fundamentalen staatlichen Rechtsanwendungsinteressen auf. Die Abgrenzung des kollisionsrechtlichen Eingriffsrechts von Fragen der völkerrechtlichen Zulässigkeit extraterritorialer Rechtsetzung ebnet den Weg für eine fundamentale Analyse der transnationalen Dimension des Rechtsanwendungsvorgangs und erlaubt die Herausbildung von Leitlinien für die Einordnung und Anwendung von Wirtschaftssanktionen durch internationale Schiedsgerichte.
Der Einzug des Souveränitätsbegriffs in Debatten um die geopolitische Behauptung und rechtliche Weiterentwicklung der Europäischen Union ist kein Zufall. In den Krisenlandschaften des 21. Jahrhunderts steht das Zuhöchstsein der Souveränität für Letztentscheidung, Selbstbestimmung, Gestaltungsmacht und legitime Autorität. Doch in welchem politischen und rechtlichen Umfang ist die Europäische Union heute - in ihrem Innenverhältnis zu den Mitgliedstaaten wie auch in ihren Außenbeziehungen - tatsächlich von Souveränität geprägt? Diese Frage nach der Souveränität der Union ist dabei stets auch die Frage nach ihrer (zukünftigen) inneren Struktur und Rolle in der internationalen Gemeinschaft. Elf Rechtswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler leuchten die Orte und Bedeutungsebenen Europäischer Souveränität in ihren Grundlagen wie auch für zentrale Politikbereiche umfassend aus. Dabei formt sich ein Bild des Erreichten, weiterer Potenziale, von Grenzen und Desiderata Europäischer Souveränität.
Sprache ist das zentrale Instrument sozialer Interaktion. Jede Form der Regulierung von Sprache, jedes Verbot, das eine Äußerung bei Strafe verbietet, bedeutet die Einschränkung sozialen Handelns. Worte können die Wirklichkeit abbilden, diese aber auch verformen. Sie können uns zu erwünschten, aber auch zu schädlichen Handlungen veranlassen. Sie können wie Medizin, aber im Einzelfall auch wie Gift wirken. Es besteht also durchaus ein Bedarf an strafrechtlicher Sozialkontrolle von Äußerungen. Andererseits sind solch einer Regulierung auch Grenzen zu ziehen, damit sich das Individuum im freiheitlich demokratischen Rechtsstaat weiterhin entfalten kann. Der Autor geht diesem Bedürfnis und jenen Grenzen nach, indem er zunächst die unterschiedlichen Ausprägungen pönalisierter Äußerungen im deutschen Recht aufzeigt, sie sodann einer - v.a. sprechakttheoretisch inspirierten - Systematisierung zuführt, um schließlich eine Theorie der Legitimation von Äußerungsdelikten zu formulieren.
Kathrin Strauß unternimmt eine systematische Analyse der originären und derivativen Produktionsprozesse von Recht, indem sie auf Theorieelemente aus der Sprachphilosophie, der Philosophie des Geistes, der Handlungstheorie und der Sozialontologie zurückgreift. Von einem dynamischen Rechtsverständnis ausgehend erweitert sie die Betrachtung des Produktionsprozesses von Recht um eine Perspektive, die das Recht nicht nur als reines Rechtsprodukt, sondern auch als Menschenprodukt erfasst. So ist der Produktionsprozess nicht nur durch die Verfahrens- und Organisationsnormen des Rechts geprägt, sondern auch von intentionalen Eigenleistungen des menschlichen Geistes, die über den Sprechakt in den Rechtsakt gelangen. Ein besonderes Augenmerk legt die Autorin auf die Schriften John Searles, dessen sprechakttheoretische Überlegungen sie in ein dynamisches Rechtsverständnis übersetzt.
Religion ist ein Befreiungsgeschehen. Die christliche Dogmatik deutet diese Befreiung als Selbstoffenbarung Gottes. Diese Doppelthese kennzeichnet die liberale Theologie von Richard Adelbert Lipsius (1830-1892). Mario Berkefeld verfolgt sie in seiner werkbiografischen Studie und führt damit hinein in die formenden Diskurse liberaler Theologie im späten 19. Jahrhundert. Auf den Schultern Schleiermachers hat Lipsius einen eigenen Typ neukantischer Theologie ausgebildet, der zwischen der spekulativen Theologie Alois Emanuel Biedermanns und der aufstrebenden Ritschl-Schule zum Stehen kommt. Ihm ist es um die Selbstständigkeit des Glaubens, seine Vereinbarkeit mit dem Wissen und vor allem um das freiheitsphänomenologische Potential christlicher Dogmatik zu tun. Lipsius' freisinnige Theologie ahnt: Der Freiheit wohnt ein Geheimnis inne, das ihr unendlichen Wert verleiht.
Das Matthäusevangelium spricht vorzugsweise von Gott als "Vater in den Himmeln". Wie verhält sich dazu die eigentümliche Rede vom "Vater im Verborgenen", die in den Rahmenversen des Vaterunsers dreifach begegnet? Lena Lütticke bietet eine monographische Auseinandersetzung mit Mt 6,1-6.16-18 auf der Grundlage dieser Gottesprädikation. Darin wird deutlich, dass der Text eine theologische Gegenwartsaussage trifft, nicht also Gottes Verborgenheit, sondern seine Zugewandtheit betont. Der "Vater, der im Verborgenen ist und im Verborgenen sieht" ist eine spezifische Nuancierung, die den grundsätzlich transzendenten "himmlischen Vater" in einem abstrakten Raum lokalisiert, in dem (nur) er präsent ist und sehen kann. Diese Vorstellung von Gottespräsenz liegt auch der matthäischen Gebetstheologie zugrunde, die im Kontext von Mt 6 didaktisch vermittelt und im weiteren Verlauf des Evangeliums am Beispiel von Jesu Gebetspraxis narrativ entfaltet wird.
Arbeiten Rechtswissenschaft und Rechtspraxis kooperativ und produktiv zusammen? Ist in letzter Zeit ein "Bruch" zwischen beiden Sphären zu beobachten? Und: Wer beeinflusst wen? Das Verhältnis von Wissenschaft und Praxis ist gerade im Verwaltungsrecht Gegenstand handfester Kontroversen. Galt das Verhältnis lange Zeit als konsolidiert, wird von Teilen der Wissenschaft jüngst behauptet, Verwaltungsrechtswissenschaft und Verwaltungsrechtspraxis befänden sich in einem Prozess des "Auseinanderdriftens": Methodische Grundlagendiskussionen in der Wissenschaft würden von der Praxis kaum mehr rezipiert, zahlreiche Themengebiete des Besonderen Verwaltungsrechts würden trotz ihrer großen Praxisrelevanz von der Wissenschaft ignoriert. Paul Hüther untersucht das Verhältnis von Wissenschaft und Praxis im Verwaltungsrecht aus empirischer und historischer Perspektive. In diesem Rahmen nimmt er die personellen, institutionellen, formalen und inhaltlichen Verflechtungen von Verwaltungsrechtswissenschaft und Verwaltungsrechtspraxis von 1949 bis heute in den Blick.
Während vertragliche und deliktische Ansprüche im deutschen Recht frei miteinander konkurrieren, ist dies in Frankreich nicht der Fall: Bei Vorliegen eines Vertrags ist dort grundsätzlich ein Rückgriff auf das Deliktsrecht nach dem Prinzip des non-cumul des responsabilités ausgeschlossen. Andreas Betzelt untersucht das Internationale Privat- und Zuständigkeitsrecht daraufhin, ob sich die für reine Inlandsachverhalte jeweils etablierte Konkurrenzregel auf grenzüberschreitende Lebenssachverhalte übertragen lässt. Er setzt sich mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinander und schlägt vor, die Wertungen des Internationalen Privatrechts ins Internationale Zuständigkeitsrecht zu übertragen.
Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise 2007/8 ist das Kurzfristdenken auf Kapitalmärkten in die Kritik geraten. Als eine der populärsten Gegenstrategien zu diesem sog. short-termism haben sich seither Treuestimmrechte etabliert: Um den Einfluss kurzsichtiger Kapitalmarktakteure einzudämmen und zukunftsorientierte Unternehmensstrategien zu fördern, gewähren immer mehr Rechtsordnungen langfristigen Aktionären überproportionale Stimmkraft. Yannick Chatard untersucht deshalb auf rechtshistorischer, rechtsvergleichender, rechtsökonomischer und rechtsdogmatischer Grundlage, ob eine solche Loyalitätsprämie tatsächlich zweckmäßig ist - und wie sie gegebenenfalls ausgestaltet werden sollte.
Die umstrittene Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) hat den Europäischen Verfassungsgerichtsverbund vor eine Zerreißprobe gestellt. Wer kontrolliert die EZB, die unabhängigste Notenbank der Welt? Die verschiedenen gerichtlichen Verfahren gegen unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen der EZB nimmt Sara Elisa Dietz zum Anlass, sich umfassend mit den unionsrechtlichen Grundsätzen europäischer Geldpolitik auseinanderzusetzen. Die Unabhängigkeit der EZB ist Dreh- und Angelpunkt für die Frage, wie weit eine rechtliche Einhegung und gerichtliche Kontrolle gehen darf und muss. Dabei spielen die makroökonomischen Wirkungsweisen des Zentralbankhandelns eine entscheidende Rolle. Die Autorin verbindet daher den juristischen mit dem ökonomischen Diskurs, um für die Praxis handhabbare und den makroökonomischen Gegebenheiten Rechnung tragende rechtliche Maßstäbe zu entwickeln.
Anhand einer Analyse des Konzepts der Fairness, auf das die Europäischen Verträge in der englischen Fassung von Art. 102 S. 2 lit. a) AEUV Bezug nehmen, und das der neue Digital Markets Act in sein Zentrum rückt, untersucht Johannes Blaschczok klassische Grundfragen des Kartellrechts unter einem veränderten Blickwinkel. Auf rechtsmethodischer Ebene erweist sich dabei die Diskurstheorie des Rechts nach J. Habermas und R. Alexy als besonders geeignet, um eine fundierte Integration komplexer wirtschaftswissenschaftlicher wie wirtschaftsethischer Argumente in die juristische Normauslegung zu gewährleisten. Auf wirtschaftspolitischer Ebene stellt sich unter dem Eindruck des post-Chicago reckoning und der sich in den Vereinigten Staaten im Vordringen befindenden New Brandeis School die Frage, ob nicht auch der herkömmliche europäische Ordoliberalismus einiger Aktualisierungen bedarf und wie diese im Wettbewerbsrecht aussehen müssen.
Die jüngst erfolgte Gründung einer Europäischen Staatsanwaltschaft bestätigt die Entwicklung, dass Strafrecht für die Europäische Union zu einem immer wichtigeren Rechts- und Politikfeld wird. Im Kontrast zu der steigenden Bedeutung des EU-Strafrechts steht das weitgehende Fehlen konzeptioneller Überlegungen. Weder von Seiten der Politik noch der Strafrechtswissenschaft lassen sich übergreifende Leitlinien für die Gestaltung des Rechtsbereichs im Spannungsfeld zwischen der EU-Ebene und der ihrer Mitgliedsstaaten erkennen. Vor diesem Hintergrund wendet sich Lukas Huthmann der Aufgabe zu, einen konzeptionellen Ansatz für die europäische Integration des Straf- und Strafverfahrensrechts zu entwickeln. Mit dem "EU-Strafverfassungsrecht" entwirft er in Grundzügen eine spezifische Perspektive, die dabei helfen soll, eine legitime weitere Entwicklung des Strafrechts in der EU sicherzustellen.
Die aus Mitgliedern der Lateran-Universität, Rom, und der evangelisch-theologischen Fakultät Tübingen bestehende Forschungsgruppe "Ökumene in fundamentaltheologischer Perspektive" dokumentiert hier ihre jüngsten Arbeitsschritte. "Ordiniertes Amt" und "Kirchenrecht" werden nicht als isolierte Einzelthemen erfaßt, sondern im Ganzen der das fundamentum fidei, die Christusoffenbarung, explizierenden kirchlichen Lehre. In der jeweils eigenen Sicht beider Konfessionen auf dieses Ganze gründet die Differenz über Ursprung, Art und Autorität des ordinierten Amtes. Diese schließt direkt die Differenz bezüglich der Frage ein, wo die Befugnis, über Recht und Ordnung der Kirche zu entscheiden, liegt: entweder beim Episkopat unter seinem petrinischen Haupt oder bei landeskirchlichen Synoden. Dieser Hinweis betritt Neuland: "Sichtbare Einheit" gibt es nicht vorbei an der Bearbeitung der Differenz in Recht und Ordnung der Kirche. Aber Thema des Dialogs war sie noch nicht.
Ehemänner, die Geld von den Geliebten ihrer Ehefrauen forderten; Richter, die so sprachen, als ließe sich der Wert ehelichen Zusammenlebens in Pfund und Shilling bemessen: Weniges am englischen Recht des bürgerlichen Zeitalters befremdete ausländische Beobachter so stark wie die Schadensersatzklage wegen Ehebruchs. Umstritten war die Klage allerdings auch in England selbst. Warum schrieb das Parlament die Klage 1857 gesetzlich fest? Und weshalb schaffte es sie erst 1970 ab? Eike Hosemann geht diesen Fragen nach. Er rekonstruiert die Geschichte eines Rechtsinstituts, in der sich Sexualmoral und Geschlechterrollen einer untergegangenen Epoche lebendig spiegeln - und die zugleich von einem weiterhin aktuellen Konflikt erzählt: dem Widerstreit zwischen dem kühlen wirtschaftlichen Blick auf die Ehe und dem Bestreben, sie jedweder monetären Bewertung zu entziehen.
Vertrauen ist gut, ist Kontrolle besser? Ein zentraler aktueller Diskurs im EU-Recht kreist um das Verhältnis zwischen der Vertrauenswürdigkeit der Mitgliedstaaten in Bezug auf die rechtmäßige Umsetzung und Anwendung des Unionsrechts einerseits und der Notwendigkeit von Eingriffsmaßnahmen auf EU-Ebene zur Verteidigung der Unionswerte andererseits. Die Erosion der Rechtsstaatlichkeit durch mitgliedstaatliche Maßnahmen rückt allerdings die Frage nach den Grenzen, des diesen Mitgliedstaaten entgegenzubringenden Vertrauens in den Vordergrund. Wo endet die Autonomie der Mitgliedstaaten, über die Durchsetzung der Unionswerte souverän zu entscheiden, und wann ist eine zentrale Reaktion durch die EU angezeigt? Konstantina Poulou untersucht die Rechtsnatur des gegenseitigen Vertrauens anhand des Primärrechts, seinen Zusammenhang mit der Rechtsstaatlichkeit(skrise) und bewertet das "Waffenarsenal" der EU zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit.
Gerade in schwierigen Zeiten ist eine realistische Perspektive auf Wirtschaft und Ethik wichtig. Gerade wenn viele Menschen Illusionen nachhängen, besteht die Gefahr, dass zentrale Antworten auf wirtschaftsethische Grundfragen der Marktwirtschaft in Vergessenheit geraten oder ganz verlorengehen. Christoph Lütge behandelt solche Grundfragen wie jene nach Gerechtigkeit oder Wettbewerb, widmet sich aber auch neuen Problemstellungen wie etwa: Welchen Stellenwert haben experimentelle Forschungen für die Ethik? Welche wirtschaftsethischen Fragen stellen sich im Zuge der Digitalisierung sowie der künstlichen Intelligenz? Welche ethischen Herausforderungen bringt das autonome Fahren mit sich? Entlang solher und weiterer Fragestellungen wird aufgezeigt, was eine realistische Wirtschaftsethik zu klassischen und aktuellen gesellschaftlichen Debatten beitragen kann.
Mit dem Anschluss Hamburgs an den Norddeutschen Bund geriet der historische Freihandel Hamburgs durch eine einheitliche Zollpolitik des Norddeutschen Bundes erheblich in Gefahr. Hamburg musste sich fragen, ob es im Interesse der Stadt lag, eine umfangreiche Freihandelszone (einen sog. Freihafen) einzurichten und, falls ja, ob und in welchem Umfang das politisch durchsetzbar wäre. Einige sprachen sich explizit und vehement gegen den Freihafen aus, andere dafür. Die Diskussion berührte (verfassungs-)rechtliche Fragen, aber auch wirtschaftliche und politische Aspekte. Felix Dressel stellt die Rolle der Handelskammer Hamburg bei der Verteidigung des Freihafens in den Mittelpunkt. Er analysiert ihre Aktivitäten im Hinblick auf die prinzipielle Beibehaltung und die verfassungsrechtliche Absicherung des Freihafens und widmet sich dann dem Beitrag der Kammer zur einfachgesetzlichen Umsetzung des Freihafenkonzepts. Dabei werden sowohl die handelskammerinternen als auch gesetzgeberischen Entscheidungsprozesse transparent gemacht und nachvollziehbar dargestellt.
In der vorliegenden Studie widmet sich Erasmus Gaß der Redaktionsgeschichte der Landeroberungserzählungen in Jos 9-12. Die in Jos 9-11 zugrundeliegende Tradition wurde mehrmals dtr. überarbeitet, wobei vor allem der südliche Eroberungsfeldzug in Jos 9-10 das Wachstum von Dtn reflektiert. Erst spät wurden priesterliche Ergänzungen in Jos 9 eingetragen, durch die das Bündnis mit den Gibeonitern vor einem priesterlichen Kontext erklärt wurde. Die Königsliste in Jos 12 verwendete zunächst eine Liste mit westjordanischen Orten. Erst später wurden die ostjordanischen Amoriterkönige Sihon und Og vorangeschaltet. Offenbar arbeiteten viele Redaktoren an Jos 9-12, worauf nicht nur der verwendete Idiolekt und die Bezüge zu Dtn, sondern auch die Überschüsse und Abweichungen der griechischen Texttradition hinweisen. In den untersuchten Texten zeigt sich, wie vor allem dtr. Redaktoren ihre theologischen Konzeptionen eingebracht haben.
Die disziplinäre Identität des Steuerrechts und seiner Wissenschaft wird nicht nur durch seinen Gegenstand, sondern vor allem auch durch die Methode seiner Erschließung bestimmt. Ein sachgerechtes Verständnis dieses Teilrechtsgebietes bedingt somit auch ein anspruchsvolles Methodenverständnis, das sowohl die Herausbildung einer entsprechenden Dogmatik als auch deren Handhabung in der konkreten Entscheidungsfindung umfasst.
§ 615 BGB wird nahezu einhellig als sog. Anspruchserhaltungsnorm eingeordnet. Sie erhält den Vergütungsanspruch des Dienstleistungsschuldners in Ausnahme zu § 326 Abs. 1 S. 1 BGB aufrecht. Ob diese - bislang kaum hinterfragte - Einordnung zutreffend ist, stellt Katarina Kolak auf den Prüfstand. Sie unternimmt den Versuch, ein neuartiges Erklärungskonzept für die systematische Einordnung und Rechtsnatur der Norm zu entwickeln. Dazu beleuchtet sie das systematische Verständnis der Norm sowohl rechtshistorisch als auch unter dem Blickwinkel allgemeiner leistungsstörungsrechtlicher Grundlagen. Die Autorin gelangt zu dem Ergebnis, dass es sich bei § 615 S. 1 bzw. S. 3 BGB um eine eigenständige Anspruchsgrundlage handelt, die die Geltendmachung des vertraglichen Vergütungsanspruchs unter Durchbrechung der synallagmatischen Verknüpfung von Dienstleistungs- und Vergütungspflicht ermöglicht.
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