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DER GROSSE BOGENDer »große Bogen« oder auch »arc de cercle ist mit seiner Ambivalenz des Kontrollverlusts und der Beherrschung ein verführerisches Motiv, das eine lange Tradition in der Kunst- und Kulturgeschichte hat. Es findet sich in Darstellungen von Tanz und Akrobatik, beschreibt aber auch physische oder psychische Krankheiten: Der überstreckte (Frauen-)Körper drückt ekstatische Entrückung oder auch eine psychotische Störung aus, im Tanz aber steht er für virtuose Körperbeherrschung und Expressivität. Mit »Arch of Hysteria« widment das Museum der Moderne, Salzburg, eine Ausstellung diesem bildmächtige Motiv. Es werden Kunstwerke der letzten 100 Jahre aus verschiedenen Kontexten gezeigt und so der Vielfalt der Ausdrucksmöglichkeiten nachgegangen, die der Pose innewohnen - bis hin zu ihrer Umwandlung in abstrakte, aber dennoch expressive und daher unverkennbare Formen. Buch und Ausstellung beleuchten die (kunst)geschichtlichen Wurzeln des Motivs ebenso wie aktuelle Fortschreibungen in Malerei, Zeichnung, Skulptur, Fotografie, Video- sowie Performancekunst. Unter den ProtagonistInnen finden sich u. a. Denis Darzacq, Max Ernst, Georg Herold, Gustav Klimt, Alfred Kubin, Auguste Rodin, aber auch Alexandra Bircken, Louise Bourgeois, Ronit Porat, Barbis Ruder, Charlotte Rudolph, Valerie Schmidt und VALIE EXPORT; dabei sind viele Arbeiten extra für die Schau entstanden und werden in diesem Buch erstmals abgebildet.Ausstellung:Museum der Moderne Salzburg, 21/7/2023 - 14/1/2024
Klug, roh, klar und manchmal hart»Axtzeit, Schwertzeit, gespaltene Schilde, Windzeit, Wolfszeit, bis die Welt zu Grunde geht …« In der raunenden Vision der Seherin im nordischen Gesang der »Edda« geht es um eine gewaltige, vor allem wortgewaltige Sagenwelt. Sabine Kuehnle bildet sie in einer raumgreifenden Installation ab, führt zur Esche Yggdrasill, die in der nordischen Mythologie den gesamten Kosmos repräsentiert. Ihre Krone verbindet Himmel und Erde, die Wurzeln reichen tief hinab bis zu einer Quelle, an der drei Mädchengestalten leben. Sie bestimmen über unser Schicksal, ihre Namen lauten: das Gewordene, das Werdende und das, was kommen soll. Sabine Kuehnle lässt sie wirken, sodass sie sich mit anderen Eindrücken, Figuren, Bildern und Geschichten verbinden können und sich neue Erzählungen und Räume auftun. Der Weg dahin kommt manchmal einer präzisen wissenschaftlichen Recherche gleich und vollzieht sich dann doch wieder rein assoziativ. Die Trennung zwischen konzentrierter Suche und freiem Driften wird aufgehoben, das Bewusste und das Unbewusste sollen ineinanderfließen. Materialien, Texturen und Raum so zu verbinden und zu bearbeiten, dass sie wie ein Gedicht wirken: wie ein verdichteter Gedanke, klug, roh, klar und manchmal hart, darin liegt das Besondere der Arbeiten von Sabine Kuehnle.
Die Kunst der MonotypieSammlungsschwerpunkt und Alleinstellungsmerkmal der Städtischen Galerie Wolfsburg sind grafische Werke, von denen zahlreiche in der Druckwerkstatt im Schloss Wolfsburg entstanden sind. Beim Ausstellungsprojekt (April bis August 2022) »Surprise. Die Kunst der Monotypie« stand die Monotypie im Fokus, entsprechend stellt nun das Buch mit Arbeiten internationaler KünstlerInnen diese Medium in seinen verschiedenen Facetten vor. Die Monotypie ist eine spannende Verbindung von Malerei, Zeichnung und Grafik. Das um 1640 erstmals eingesetzte Verfahren erlebte im 19. Jahrhundert einen ungeahnten Siegeszug, insbesondere die Impressionisten schöpften die Potenziale dieser zwischen Zeichnung und Druck oszillierenden Technik virtuos aus. Das Verfahren fordert zur raschen Umsetzung eines Bildes auf und übersetzt die künstlerische Handschrift wirkungsvoll ins gedruckte Bild. Das Buch zeigt Monotypien zahlreicher KünstlerInnen, darunter Werke bedeutender VertreterInnen der Moderne wie John Cage oder Edgar Degas, Arbeiten zeitgenössischer KünstlerInnen wie Herbert Brandl, Shara Hughes, Mia Chaplin, Günther Förg oder Gerhard Richter u. v. a.
Hier und JetztAïcha hat einiges erlebt: Als Adoptivkind nach Frankreich gekommen, ist sie dort in schwierigen Verhältnissen aufgewachsen. Heute lebt sie auf Mallorca und hat sich voller Konsequenz in das Abenteuer Malerei gestürzt. Ihre Bilder sind unmittelbar, unverstellt - sie sind, was die Biografie der Künstlerin anbelangt, geprägt von einer tiefen Authentizität, die die BetrachterInnen zum Eintauchen in ihre Lebensumstände einlädt. Lebensgroß begegnen einem die Figuren auf den großformatigen Bildern jüngeren Datums, die den Dialog mit uns auf Augenhöhe suchen. Aïcha malt sich ihre Geschichte von der Seele. In ihrer Bilderwelt kehrt sie zurück in ihre Kindheit und Jugend, meistert sie die Dinge des alltäglichen Lebens, orchestriert sie die kleinen Geschichten. Und doch ist im Hintergrund stets etwas Bedrohliches, fast eine düstere Stimmung zu erahnen. Der Bildaufbau wirkt dabei klassisch, die Interaktion der Bildgegenstände ist formal völlig souverän konzipiert, die Motive teilen sich bei der Betrachtung unmittelbar mit. Aïcha könnte eine herausragende Akteurin der Art Brut gewesen sein, doch sie malt im Hier und Jetzt, so dass ihre gewaltige Bildsprache ist nicht anders als sensationell zu nennen ist.
Was tun wir nur den Schweinen an?Im Zentrum des Projekts »Ocular Witness: Schweinebewusstsein« stehen Fragen nach dem Selbst- und dem Weltverhältnis des Menschen. Es werden Problemkomplexe von globaler Relevanz aufgeworfen, wenn das Verhältnis zum Schwein zur Sprache kommt. In einen kollektiven Rechercheprozess eingebunden, beteiligen 14 KünstlerInnen an Ausstellung und Buch, iwobei sie verschiedene ästhetische Verfahren und künstlerischen Strategien anwenden, um sich jeweils eines Teilaspekts des Themas anzunehmen. Gedanklich miteinbezogen sind Projekt wie das »Haus für Schweine und Menschen« von 1997, realisiert von Carsten Höller und Rosemarie Trockel, oder auch »Lebensmittel« (2012) von Michael Schmidt. Über die Präsentation im Sprengel Museum hinaus sollen die entstandenen Werke als flexible Module funktionieren und auch an anderen Orten zum Einsatz kommen, etwa in lokalen Gemeindezentren, Landgasthöfen, Heimatvereinen und Landfrauenvereinigungen. Das Projekt an Überlegungen von Alan Sekula anknüpft, mit Mitteln der Kunst ebenso konkrete wie komplexe politische Fragestellungen zu bearbeiten und zur Diskussion zu stellen.Ausstellung:Sprengel Museum Hannover, 23/8 - 5/11/2023
Einer der ungewöhnlichsten Protagonisten der Fotoszene im RheinlandChristopher Muller, der seit 2009 eine Professur für künstlerische Fotografie an der Folkwang Universität innehat, ist seit Mitte/Ende der 1990er Jahre war er einer der ungewöhnlichsten Protagonisten der Fotoszene im Rheinland. Mit Kunstpreisen etwa des Kunstfonds Bonn 1995 oder der Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung 2004 hat der in London aufgewachsene, am Camberwell College of Arts & Craft, der Slade School of Fine Art in London und schließlich an der Kunstakademie in Düsseldorf ausgebildete Künstler in der Szene einen Platz gefunden. Dabei hat ihn stets seine spezielle Herangehensweise ausgezeichnet, die ihn von den KollegInnen unterscheidet. Er kommt vom Stillleben, und hat mit seinen seriell wirkenden Objektfotografien in den 1990er Jahren entsprechend für Aufsehen gesorgt. Seine jüngst entstandenen fotografischen Collagen sowie die zusehends einen breiteren Raum einnehmenden Aquarelle thematisieren das Verhältnis der Dinge zueinander und zugleich unsere Sicht auf sie. Die Bilder verdeutlichen, dass die BetrachterInnen in ein komplexes Gewebe von Gefühlen, Vorlieben und Abneigungen verwickelt sind, die auch von ihren Erwartungen und Handlungen im Alltag bestimmt werden.
Auftrag als Konzept»Wenn ich durchs Museum gehe, kann ich sagen, welches Bild nach Modell entstanden ist und welches nicht!« - Caroline von Grone hat einen scharfen und unbestechlichen Blick für Situationen und Porträts. 1991 war sie Meisterschülerin bei Klaus Rinke an der Kunstakademie Düsseldorf und hatte sich, ganz untypisch für jene Zeit, auf das Porträtmalen verlegt, entweder mit Modellen, die sie etwa in U-Bahnhöfen angesprochen hatte, oder mit Personen, die ein Porträt bei ihr bestellt hatten. Es ist eine ihrer Stärken, dass sie Beobachtungen »nicht erfindet«. Das geht mit einer Sehschärfe einher, die den BetrachterInnen einen großen Genuss beschert. Denn die Bilder offerieren ein ums andere Mal auch das Bild im Bild, etwa abstrakt aufgefasste Kachelwände, Bodenfliesen oder die Interieurs öffentlicher Orte wie Telefonzellen oder Fahrkartenautomaten. Immer wieder hat sie auch Häuser gemalt, etwa Häuser einer norddeutschen Siedlung, bevor sie dann abgerissen wurden. Gerade auch solche finalen Zustände haben sie interessiert - eine Art Gegenpol zur Fotografie etwa der Bechers. Immer Teil ihrer Praxis war für Caroline von Grone das Malen in der Öffentlichkeit, denn sonsten beäme sie »die stilllebenhafte Präsenz in das Bild nicht rein, wenn ich das nach einem Foto versuchen würde«.Ausstellung:Galerie der Stadt Backnang, 13/5 - 13/8/2023
Gregor Schneider Preisträger Ernst Franz Vogelmann-Preis für Skulptur 2023Den Räumen nie entkommen zu können, weil sie gesellschaftlich und durch Tabus aufgeladen sind, weil sie neben ihrer physischen auch eine psychische Wirkung entfalten, kennzeichnet die künstlerische Haltung von Gregor Schneider. Gregor Schneider, 1969 in Rheydt geboren, ist 2001 mit »Totes Haus u r« schlagartig einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden, nachdem die Arbeit auf der Biennale in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet worden war. Nun erhält er, nach Roman Signer, Franz Erhard Walther, Thomas Schütte, Richard Deacon und Ay¿e Erkmen, den Ernst Franz Vogelmann-Preis 2023 für Skulptur. Der seit 2016 an der Kunstakademie Düsseldorf lehrende Künstler »schaut hinter die Fassade der Dinge und definiert nebenbei die Begriffe Bildhauerei und Installation neu«, begründete die Jury ihre Wahl. Und in der Tat, seine biografisch fundierte Agenda bildet den irritierenden Ausgangspunkt seiner Arbeiten, die die BesucherInnen zu handelnden AkteurInnen werden lassen.Ausstellung:Kunsthalle Vogelmann, Heilbronn, 15/7 - 29/10/2023
Die Form im Dienst des InhaltsDie Installationen der in Berlin lebenden Künstlerin Sung Tieu (*1987 Hai Duong, Vietnam) beschäftigen sich mit dem wechselseitigen (Zwangs-) Verhältnis von Bürokratie und Identität. Ausgangspunkt ihrer Arbeiten bilden ihre Recherchen über das Anwerbeabkommen für vietnamesische VertragsarbeiterInnen in der ehemaligen DDR. Vor dem Hintergrund ihrer eigenen Biografie begann sie sich mit den komplexen soziopolitischen Hintergründen dieses spezifischen Migrationskontextes zu beschäftigen. Es überlagern sich darin Aspekte des Arbeitsregimes, der Regulierung von Wohnraum und der Kontrolle der Privatsphäre. Diesen migrationspolitischen und ökonomischen Zusammenhängen spürt Sung Tieu in ihrer Archivarbeit systematisch nach und verdichtet ihre Forschungsergebnisse in Rauminstallationen, die Objekte, architektonische Interventionen, Dokumente, Zeichnungen, Videos und Toneinspielungen miteinander kombinieren, zu atmosphärisch eindrucksvollen audiovisuellen Erzählungen. Formalästhetisch sind ihre Arbeiten an Minimal Art und Konzeptkunst angelehnt. Was zunächst im Widerspruch zum politisch-narrativen Ansatz der Künstlerin zu stehen scheint, repräsentiert jedoch eine Form des kritischen Engagements, das den konventionellen Glauben an die Autonomie der Kunst und ihrer Interpretation auf die Probe stellt. Für Tieu steht die Form im Dienst des Inhalts. Das zeigt auch die Gestaltung dieser Publikation, die einen Teil von Tieus Recherchematerial und Archivalien sowie ihre gesamten Serien bürokratischer Dokumente in einer strengen Rasterstruktur reproduziert. Kunsthistorische Essays und ein Interview mit der Künstlerin geben uns zusätzlich Auskunft über weitere wichtige Einflüsse und Bezüge ihres Kunstschaffens.Ausstellungen:Kunst Museum Winterthur, 16/9 - 19/11/2023Kunsthalle Nürnberg, 9/3 - 9/6/2024
Die verlorenen ParadieseDie Gesichtslosigkeit der Protagonisten in den Bildern von Josef Zekoff ist eines ihrer herausragendsten Merkmale. Ob es sich nun um ezeichenhafte Labyrinthe handelt - er malt auch Ornamente und Landkarten - oder um gezeichnete Strichmännchen, der Zwischenraum, den diese Bilder besetzen, fordert zur Selbstreflexion auf, für welche die BetrachterInnen allerdings Mut aufbringen müssen. Oder wie es Florian Waldvogel in seinem einführenden Text schreibt: »Suchen die Protagonisten seiner Bilder die Begegnung mit etwas, das über die Welt der Gegenstände und festen Größen hinausgeht? Geht es, wie Martin Heidegger in ›Was ist Metaphysik?‹ schreibt, um eine Begegnung mit dem ›Nichts‹ in der ›Angst‹? Verweist die Konfrontation mit dem ›Nichts‹ in Zekoffs Bildern auf unsere Angst angesichts der ursprünglichen Sinnlosigkeit der Welt, auf den Fakt, dass es das Dasein ist, welches die Bedeutungen den Sachen zuschreibt?« Die Weltlichkeit der Welt liege nach Heidegger in dieser Leere, und Zekoffs Figuren spürten, anders als die BetrachterInnen, keine Angst vor dem Nichts. Doch wie in der Jakobinertragödie brauche die Furcht das Bewusstsein des Verlusts, um überleben zu können. Gemäß Marcel Proust, so schließt Florian Waldvogel, seien die wahren Paradiese diejenigen, die verloren gegangen sind.Ausstellung:CFA Contemporary Fine Arts Berlin, 1/7 - 5/8/2023
Pop-AntizipationenChrista Dichgans lebte in einer Männerwelt, zunächst mit Karl Horst Hödicke verheiratet, folgte ihm 1972 der renommierte Galerist Rudolf Springer. Sie war mit Markus Lüpertz und A. R. Penck befreundet und assistierte Georg Baselitz während seiner Professur in den 1980er Jahren an der Hochschule der Künste in Berlin. Die, wie sie später auch genannt wurden, deutschen Malerfürsten, die im Laufe ihrer Karriere zu bedeutenden künstlerischen Individualisten avancierten und der jüngeren Generation der Jungen Wilden die figurative Expression lehrten, waren unverzichtbare Dialogpartner für Christa Dichgans. Ihre Rolle beschrieb sie so: »In den Sechzigern fühlte sich kein Mann von mir bedroht. Sie fanden, dass ich hübsch sei und spooky, meine Kunst nahmen sie nicht wirklich ernst.« Bereits in der ersten Hälfte der 1960er Jahre entwickelte Christa Dichgans in ihrem frühen Werk im Kern eine Bildformel, die den Vertretern des Kapitalistischen Realismus - Sigmar Polke, Gerhard Richter, Konrad Lueg und Manfred Kuttner - in nichts nachstand.Ausstellung:CFA Contemporary Fine Arts Berlin: 18/3 - 22/4/2023
FEEL GOODDana Z¿aja: Ich hatte in Vorbereitung für dieses Gespräch Texte zu deinen Bildern gelesen und diesen Satz aus dem Katalog zu deiner ersten Ausstellung bei uns gefunden: »Strassburger integriert vorgefundenes Wirklichkeitsmaterial als Teil eines spezifischen Gegenwartsmoments. Alles wird aufgezeichnet, Disparates miteinander verbunden und weitergeschrieben: Existenzangst, Spaßkultur, und Lusterfüllung.« Als ich darüber nachdachte, war für mich die erste Frage, was denn eigentlich für dich Wirklichkeit bedeutet?Henning Strassburger: »Existenzangst, Spaßkultur und Lusterfüllung« gefällt mir ziemlich gut. Mehr Wirklichkeit geht ja kaum. Aber ich würde mich nicht gerade als Experten für Wirklichkeitsdeutung sehen.DZ: In deinen Notizen zur Malerei schreibst du zur Abstraktion: »Das perfekte abstrakte Bild ist erreicht, wenn es zur Tapete geworden ist«. Verstehst du das negativ? Warum hast du dann so lange abstrakt gemalt? Und warum jetzt nicht mehr? HS: Den Tapetenstatus habe ich im letzten Jahr erreicht, das sage ich durchaus mit Zufriedenheit. Mission accomplished. Die Lust, das dann als Markenzeichenkunst und sichere Cash-Cow weiterzubetreiben, hielt sich aber bei mir wirklich in Grenzen. Ich habe Kolleg*innen, die das besser können und es als großes Business aufziehen. Ich wollte aber wieder raus ins Abenteuer. In das vorerst letzte abstrakte Bild habe ich noch alles reingesteckt, was ich draufhabe, und dann die Klappe für mich zugemacht. Ich habe nämlich echt keine Lust, jeden Tag dasselbe Bild zu malen.DZ: Deine Obsession mit Pools und Splashes bekommt jetzt in ihrer figurativen Instanz einen melancholischen Touch, was dann wiederum durch die für dich typische Farbpalette gebrochen wird.HS: Ich arbeite mich gern an dem Thema ab, es gibt viel her. Jetzt füge ich noch die Figur als Problemstellung hinzu. Ich habe das Gefühl, die schaut gleichzeitig kritisch auf meine Malerei, während ich sie male. Vielleicht mit Kopfschütteln, keine Ahnung. Ich kann den Figuren eine Malerei gegenüberstellen, zu der sie eine Position beziehen müssen. Vor der sie vielleicht auch etwas einknicken oder von der sie überwältigt sind. Auf alle Fälle gibt es mir einen Handlungsspielraum, in dem ich dieses Fass aufmachen kann. Mit den abstrakten Bildern hatte ich das für mich ausgereizt.DZ: »Solange die Menschheit sehen kann, solange wird es auch Malerei geben.« Einerseits scheint es so, als würdest du wollen, dass sich der Betrachter in deinen Bildern selbst sieht bzw. in deine Bilder eintaucht. Andererseits mischst du deine Farben häufig mit Weiß, damit die Bilder flach bleiben. Ist es dir denn wichtig, dass ein Gemälde in seiner Medialität wahrgenommen wird? Oder sollen sie vielmehr eine Selbstreflexion im Betrachtenden auslösen?HS: Das klingt super esoterisch. Aber klar, das Ziel für Malerei sollte ja sein, dass es sich auch mal jemand anguckt. Und Flachheit ist die Domäne der Malerei, weil sie, konservativ gesehen, eben auf einer Fläche stattfindet. In etwas eintauchen kannst du auch in einer Videoinstallation oder in partizipativer Entertainmentkunst. Aber wenn man vor Malerei steht, klopft die immer auch an die Hirnsynapse, die dir sagt: BILD! Das könnte als ein Mangel an Komplexität gesehen werden, aber diese Unzulänglichkeit macht es ja in Wahrheit erst aus.(Auszüge aus dem Interview) Ausstellung:CFA Contemporary Fine Arts Berlin: 28/4 - 17/6/2023
Wie beeinflusst der Zufall das Werk?Das Wichtigste beim Malen sei es, den Kopf auszuschalten, sich führen zu lassen, sagt die deutsch-chinesische Malerin Yafeng Duan, die 1973 in Hebei geboren wurde und heute in Berlin lebt. Wie beteiligen sich die Farben, wie verhalten sich Leinwand und Papier, wohin führt der Pinsel die Hand? Leicht und dicht, hell und dunkel, innere und äußere Welt, breiter Pinselduktus und feine Linien in der Tradition der Tuschmalerei, Widerstand und Fluss, massive Flächen und schwebende Farben. Das alles entspreche zudem, so Duan weiter, dem Takt des Ein- und Ausatmens. Hinzu tritt der Zufall, der sich ohne esoterische Konnotationen ins Spiel bringen lässt, wie etwa im Fall der Kompositionstechnik von John Cage, der das »I Ging« als strukturbildendes Prinzip heranzog. Die Formvorstellungen sind daher stets auch mit Verfahrensfragen verknüpft: Wie beeinflusst der Zufall das Werk, wieviel Zufall tut diesem gut? Dem Taoismus entstammend, werden dann fast zwangsläufig die Prinzipien Yin und Yang aufgerufen. Ursprünglich standen diese Begriffe für die »Dunkelheit am Südufer des Flusses«, für einen »schattigen Ort« (Yin) beziehungsweise, konträr dazu, für das »Strahlen der Sonne, die sonnige Anhöhe auf der Südseite der Berge« (Yang). Zu Yafeng Duans abstrakter Malerei heißt es denn auch, sie schaffe Räume, die sich erst bei längerer Betrachtung aufschließen lassen, nicht alle würden bestehen bleiben, manche sich vielmehr verformen oder gar ganz auflösen.Ausstellung:Galerie Michael Janssen, Berlin, 27/1 - 18/3/2023
Selten war ein Quellenstudium so amüsantDas Werk von Peter Zimmermann ist vielfältig. Ende der 1980er Jahre dominierten die sogenannten Book Cover Paintings - der Kölner Künstler malte Buchtitel von Atlanten, Kunstbüchern, Reiseführern und Wörterbüchern mit Epoxid auf Leinwände. In seinen Kartonobjekten arbeitete er dann mit räumlichen Verzerrungen von Schrift und Bild, thematisierte dabei Loops und deren Wechselwirkungen. Dem folgte die erfolgreiche Serie farbenprächtig glänzender Leinwände mit reiner abstrakter Formenmalerei, wobei der Künstler digitale Vorlagen, Fotos, Filmstills oder Diagramme zunächst mittels grafischer Algorithmen verfremdete und dann in zahlreichen transparenten Epoxidharzschichten auftrug. Seit 2014 hat Peter Zimmermann, getreu diesem Ansatz, verstärkt wieder auf Ölmalerei gesetzt und wogende, in leuchtende Farben getauchte Meere voller Tentakeln geschaffen. Für den neuen 2023er-Band der Kienbaum Artists' Books mit dem Titel »swipe« hat der Künstler jetzt seinen Fundus durchstöbert und seine Quellen wie auch seine Arbeiten zu einem wilden Potpourri verdichtet. Die Analogien, die dabei zutage treten, sind Hinweise auf eine tiefschürfende Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Original und Abbild und mit dem Begriff der Oberfläche. Selten aber war ein autodidaktisches Quellenstudium auch so amüsant.
Es beginnt in einer Sprache»Dinge und Bilder erzählen jeweils in eigener Form. Es beginnt in einer Sprache vom Sehen, die den Verstand und die Sinne berührt, um sich dort zu verzweigen. Eine Verbindung entsteht, die umfasst, was die Betrachtung erfindet. Während Gegenwärtiges und Erinnertes das augenscheinlich Unerklärliche reflektieren, entsteht ein Bild der individuellen Wahrnehmung. Immer weiter wächst eine Erzählung, gespeist von kleinen visuellen Eigenheiten und unerhörten Beobachtungen.« Dies schreibt Michel Sauer selbst über seine Arbeiten. Der Künstler, 1949 geboren, studierte in Karlsruhe bei Horst Antes und Emil Schumacher, erhielt 1972 den Kunstpreis Junger Westen, war 1980 Stipendiat der Villa Massimo, wurde 1994 mit dem Villa Romana Preis ausgezeichnet und lehrte anschließend von 1994 bis 2014 an der Universität Siegen. Der hier vorliegende Band präsentiert einen Überblick zu seinem Schaffen von den 1970er Jahren bis 2022. Dabei sei es, so die Herausgeberin Eva Schmidt, die plastische Arbeit, die im Zentrum des Interesses des Künstlers stehe. Michel Sauer habe seine plastische Arbeit immer als abstrahierende Wahrnehmung einer Verbindung von Improvisation und handwerklicher Auseinandersetzung mit den Materialien Holz, Zink, Kupfer und Messing betrachtet. Das habe ihn auf seiner Suche nach der Einheit von Vorstellungs- und Erinnerungsbildern beflügelt - einer Einheit, die sich im medialen Wechselspiel von Poesie und ihrer immer möglichen »Materialisierung« realisiert.Ausstellung:annex14, Zürich, 24/2 - 1/4/2023
»Nabel zur Welt«Der White Cube hat nach dem Zweiten Weltkrieg den Status einer ästhetischen Konvention erlangt. Das im Buch eindrucksvoll präsentierte Atelier von Dagmar Varady vermittelt demgegenüber den Eindruck, sich sowohl an einem Ort, wo Kunst produziert wird, als auch in einem »Ausstellungsraum« zu befinden. Ihre Arbeiten sind denn auch nicht als abgeschlossene Werke oder Bilder zu betrachten, sondern befinden sich »permanent in Bewegung«, wie die Künstlerin betont. So entstehe im Studio eine persönliche (Wissens-) Ordnung im Kontext der Kunst, so etwas wie »Prinzipien im Chaos«, wobei dann auch der gesteuerte Zufall (Serendipity) mit ins Spiel kommt, wie man es an den Strukturen, Faltungen und Verläufen in ihrer Serie der »Brilliant-Blue«-Bilder gut beobachten kann. Mit all den in ihrer Kunst auftretenden Brüchen, Abweichungen, Intuitionen, Ausnahmen und Ambiguitäten hat sich Dagmar Varady auf den »Weg der Absichtslosigkeit« (Ernst Bloch) begeben - eine Absichtslosigkeit, die das Prozesshafte der Kunst befördert, die wiederum ohne verstetigten Ort der Produktion, das Atelier, nicht zustande käme. Und so mäandern dort Motive in einem unbestimmten Produktionsprozess von Bild zu Bild, treten in Dialog miteinander und verwandeln sich proteushaft in immer neue Varianten. Insofern ist Dagmar Varadys Atelier nicht einfach nur ein Arbeitsort, sondern, wie die Künstlerin selbst es nennt, ihr »Nabel zur Welt« und als solcher eine Art Labor, in dem intrinsische Prozesse die künstlerische Haltung und Programmatik wesentlich mitbestimmen.
Im Zentrum stehen Porträt und FigurIm Zentrum des Werks von Bertram Hasenauer steht das Porträt bzw. die Figur, wobei diese, vor monochromem weißen oder dunklen Hintergrund platziert, nicht primär als (naturalistisches) Abbild fungiert, sondern die Idee des Porträts als solchem zu vermitteln sucht. Damit eröffnet uns Bertram Hasenauer zugleich eine höchst differenzierte, das Bleibende betonende Sicht auf die jeweiligen jungen Personen, alles Spontane und Dynamische ist von ihnen gewichen, sie wirken androgyn und scheinen im Raum zu schweben. In der Kunstkritik wird angesichts der fast metaphysisch wirkenden Realitätsferne, in die die Figuren gerückt scheinen, der Begriff des Magischen Realismus bemüht, der vom Künstler um eine Spirale des Enigmatischen erweitert worden sei. Als Arbeitsgrundlage dienen Bertram Hasenauer Bilder aus Zeitschriften und Magazinen. Seine Farben trägt er wie einen dünnen Film auf fein strukturierter Grundierung auf. Der rätselhafte Eindruck dessen, was, so der Künstler, »wie ein Porträt erscheint, erweist sich als die Idee zu einer möglichen porträtierten Figur; was wie das Bild einer menschlichen Figur erscheint, entschwindet sofort in die vagen Sphären der Erinnerung an eine Figur.«Ausstellungen:Kunsthalle Memmingen, 1/4 - 23/7/2023Galerie Ebensperger, Wien, 28/3 - 30/6/2023
Mirós SpätwerkJoan Miró ist bekannt für seine farbigen Traumwelten. Nach dem lang ersehnten Bezug eines eigenen großen Ateliers auf Palma de Mallorca im Jahr 1954 erweiterte der katalanische Künstler seinen Malereibegriff auf bisher so noch nicht bekannte Weise. Seine konventionelle Staffeleimalerei empfand er als Einschränkung und suchte von nun an nach neuen Ausdrucksformen. So begann er beispielsweise auch mit Feuer und Schere zu »malen«. Der große Bewunderer Paul Klees wurde nie müde, seine eigene künstlerische Praxis zu hinterfragen und stets neue Techniken und Materialien auszuprobieren. Der Moment der Selbstkritik und des Neuanfangs, der mit dem Umzug ins neue Atelier auf Palma begann, bildet den Ausgangspunkt für die Ausstellung und dieses reich bebilderte Buch.Ausstellung:Zentrum Paul Klee Bern, 28/1 - 7/5/2023
Wenn tausend Blüten den Fasan erklimmenAustin Eddy formuliert in seinem malerischen Werk Widersprüche, greift auf kubistische Traditionen zurück und sucht die Balance zwischen Figuration und Abstraktion. Seine figurativen Elemente falten sich zu nächtlichen Landschaften, Gebäude werden zu isolierten Ansichten scheinbar klaustrophobischer Räume, schwebende Wolken ähneln knolligen Fingern - und alle sind zugleich Porträts, Stillleben und Landschaften. Austin Eddys Werk verweist formal und konzeptuell auf die amerikanische Moderne, das Besondere an ihm aber beschreibt niemand besser als der Künstler selbst: »Ich denke, die Gemälde versuchen ständig, einen Weg zwischen Realität und Abstraktion zu finden. Ich bin daran interessiert, die Grenzen auszuloten, wie weit man die Konversation zwischen beidem ausdehnen kann. Die Gemälde haben ihre Wurzeln in Erzählungen aus dem richtigen Leben, sind aber nicht notwendigerweise daran gebunden, die Realität zu repräsentieren. Um sie an die Erde zu binden, versuche ich, die Zeit zu nutzen. Das Licht spielt eine entscheidende Rolle, wenn man verstehen will, wie diese Bilder funktionieren. Nicht nur im Sinne der Tageszeit, sondern auch im Hinblick auf die mögliche Dauer eines Ereignisses. Der Versuch, einen Nachmittag in einem Moment einzufangen - oder die Hektik des Fliegens in der Stille eines Bildes - reizt mich besonders. Da ich darauf aus war, die Bildsprache zu vereinfachen, finde ich es wichtig, dass sie durch die Farbe der entsprechenden Zeit in die natürliche Welt zurückgeholt werden.«Ausstellungen:Académie Conti, Le Consortium, Dijon 3/7 - 9/10/2022Knust Kunz Gallery Editions, München, 29/9 - 12/11/2022
»Schulze gehört zu dieser Handvoll großer Namen«So resümiert Daniel Schreiber in seinem Text. ON STAGE, das ist der Titel der Schau von Andreas Schulze, mit der er die Kunsthalle Nürnberg zur Bühne für seine surrealen Bildwelten werden lässt. Immer wieder trifft die große schillernde Welt des Entertainments auf triviale Alltagsästhetik, kollidieren kunsthistorische Bezugnahmen mit banalem Zierrat und Nippes. Stoßstange an Stoßstange drängen sich großformatige Bilder brav wirkender Karosserien zum Foto für eine Klapptafel mit raumfüllendem Stau. Doch führt uns Andreas Schulze an der Nase herum, seine Bilder von Mobilität, Fortschritt, Dynamik und Status sehen fast kindlich aus. Für die Absurditäten unseres Alltags hat der Künstler schon immer einen besonderen Blick gehabt. 1989 sagte er noch, die Avantgarde bewege sich zwischen zwei Extremen: Intellektualität und grobe Banalität. Er dagegen habe stets das bürgerliche Mittelmaß gesucht. Mit einem amüsierten Achselzucken zitiert er es seitdem: Amorphe Röhren, wulstige Objekte, stilisierte Wellen, Lichtpunkte, nebelige Flächen und Abgaswölkchen formieren sich in eigentümlichen Landschaften. Backsteinwände, Veloursteppiche, Stehlampen, Gummibäume und allerlei Alltagsobjekte sind Bühne für Vertrautes, das auf einmal fremdartig erscheint und sich mit Humor und Abgründigkeit verbindet. Denn vieles, was zunächst unbekümmert erscheint, repräsentiert eben nicht die visuelle Wohlfühlzone. Andreas Schulzes bildnerisches Konzept ist banal und rätselhaft, eigenartig, aber bei aller Vertrautheit erzeugt es unterschwelliges Unbehagen.Ausstellungen:Kunsthalle Nürnberg, 5/11/2022 - 12/2/2023The Perimeter, London, 17/3 - 1/7/2023
Das Geplante scheitert, das Hingeworfene wird angenommenAdriano Sack: In deinem neuen Film »Inizio« hälst du ein Schild hoch mit der Aufschrift »Paradies«. Welche Vorstellung spielt das Paradies in deinem Werk und deinen Träumen?Erik Schmidt: Der Versuch, das Leben als Paradies zu inszenieren ist ein wichtiger Antrieb bei mir. Wenn ich irgendwo hingehe, empfinde ich diese totale Faszination, selbst wenn es nur ein Palmenstrand ist. Das Paradies im religilösen Sinn ist natürlich nicht gemeint. Eher der Zustand der Glückseligkeit auf Erden.AS: Du hast Inizio im Garten der Villa Massimo in Rom gedreht. Was bedeutet dir dieser Ort?ES: Es ist ein sehr schöner Garten. Aber der Film spielt nicht bei der Villa Massimo, sondern an einem nicht definierten Ort. Zum Zeitpunkt der Dreharbeiten war Italien im Lockdown, wir brauchten einen privaten Rückzugsort.AS: Es gibt zum ersten Mal in einem deiner Filme eine Art Alter Ego, den jungen Schauspieler Christian Erdt. Gibt es für den älteren Künstler keinen »Inizio«?ES: Nein. Oder doch. Den Neuanfang gibt es, aber es gibt kein Zurück. Mir passt das Kleid nicht, in das der andere schlüpft. Ich muss da weitermachen, wo ich bin.…AS: »Inizio« ist das Ergänzungsstück zu dem Film »Fine«, den du in Olevano bei Rom gedreht hast. »Ich bin ein Mann von Welt«, beginnt der Film, während der Darsteller auf ein Totenhaus zuschreitet. Was bedeutet dieser Gedanke in einem kleinen italienischen Bergstädtchen wie Olevano.ES: Passt doch. Denken Menschen in kleinen Städten nicht immer, dass sie Männer von Welt sind? Wer wirklich einer ist, würde das ja gar nicht denken.AS: In »Fine« übergießt sich der Künstler mit Öl. Das ist ein wiederkehrendes Motiv in deinen Filmen. Ständig wird sich aus- oder angezogen, dein Körper wird gebadet, massiert oder übergossen. Was hast du noch nicht mit dir gemacht?ES: Keine Tätowierung. Keine Löcher. Nichts, was bleibende Schäden hinterlässt.…AS: Du hast den westfälischen Mischwald, Olivensträucher in Israel, Palmen in Asien gemalt. Gibt es einen Zusammenhang?ES: Es gibt einen formalen und strukturellen Zusammenhang. Pflanzen haben immer ein Zentrum. Bei den Palmenbildern habe ich das auf die Spitze getrieben: Sie sind quadratisch und in der Mitte ist die Nuss. Darüber hinaus aber bin ich beim Malen von Bäumen unheimlich frei. Bei einem Porträt ist man dem Gesicht noch irgendwie verpflichtet. Bei der Natur kann das keiner nachvollziehen. Zumal bei der Übermalung von Fotografien. Da kann ich als Maler völlig frei agieren. Das ist fast wie bei Action Painting: Ich werfe Farbe, sie läuft und tropft. Die Palme auf meinen Gemälden ist schon auch ramponiert. Aber sie bleibt erkennbar.…(Drei kurze Auszüge aus dem Interview von Adriano Sack mit Erik Schmidt)Ausstellung:Kunstraum Potsdam, 18/9 - 30/10/2022
An outstanding representative of video artBill Viola (*1951 in New York City) is considered one of the most important pioneers and representatives of video art. The book is conceived as a reader that allows those interested to discover Viola's striking visual work through his own vivid language. In addition, the dialogically set texts provide insight into the depth of Viola's artistic thinking, which is formed from a far-reaching network of influences and thoughts. Exhibition:Museum der Moderne, Salzburg, 16/7 - 30/10/2022
Institute for Disease Modeling and Targeted MedicineIn Freiburg, wo der im oberschwäbischen Ravensburg geborene Robert Schad lange sein Atelier hatte, bevor er sich in Larians im Département Haute-Saône und in Chamosinhos im Norden Portugals niederließ, findet sich seine 2018 entworfene und 2021 aufgebaute neueste Arbeit. DIE SPUR ist aus einem Kunst-am-Bau-Wettbewerb für den Neubau des Institute for Disease Modeling and Targeted Medicine (IMITATE), eines Forschungszentrums für Gentechnik der Freiburger UNI-Klinik, hervorgegangen. An die vierzig Stahlstücke fügen sich an der Straßenseite des Gebäudes zu einem 15 x 27 x 7 Meter großen quer lagernden Gebilde, das eine in freien Rhythmen mäandernde Linie in den Raum zeichnet und bei aller Größe und aller Schwere, Unnachgiebigkeit und Kantigkeit des Ausgangsmaterials divergente Eindrücke erzeugt - von Pflanzenhaftigkeit über skulpturalen Ausdruckstanz bis zu Blitz- oder Funkentladung. DIE SPUR wendet sich an den ganzen Menschen, an unsere Sinne und an unser Bewusstsein, das von verinnerlichter Geschichts-, Kunst- und Körpererfahrung nicht zu trennen ist. Mit der neuen Freiburger Arbeit hat Robert Schad einmal mehr ein Werk geschaffen, das Form, Inhalt und Gehalt in souveräner Gewichtung ausbalanciert und bravourös in Szene setzt. Der vorliegende bilderreiche Band mit vielen Detailaufnahmen sowie den Plänen und Projektunterlagen dokumentiert den gesamte Entstehungsprozess der Skulptur bis hin zu ihrer finalen Montage.
Erzählungen aus der Diaspora»In the Heart of Another Country« erkundet den Heimatbegriff als Gefühl der Sehnsucht und Zugehörigkeit von KünstlerInnen verschiedener Diasporagruppen. Ausstellung und Buch widmen sich der Frage, in welcher Weise physische Bewegung - Mobilität über Ländergrenzen hinweg - die Rahmenbedingungen des internationalen zeitgenössischen Kunstschaffens formten. Auf ihren Migrationsrouten durchquerten die KünstlerInnen Süd- und Westasien, Afrika und die Karibik. Die meisten von ihnen leben heute über die ganze Welt verstreut und weit von den Orten entfernt, zu denen sie sich ursprünglich zugehörig fühlten. Mit 150 Kunstwerken aus der internationalen Sammlung der Sharjah Art Foundation, VAE, präsentiert »In the Heart of Another Country« die Arbeit von mehr als 60 KünstlerInnen aller Kunstrichtungen. Viele dieser Werke wurden bisher selten oder nie außerhalb ihres ursprünglichen Zusammenhangs ausgestellt. Die Exponate reichen von frisch restaurierten Installationen bis zu aktuellen Neuerwerbungen, die verbunden sind durch ein gemeinsames Narrativ der Zugehörigkeit - häufig vor dem Hintergrund politischer Unruhen und sozialer Konflikte. »In the Heart of Another Country« steht für das Ziel der Sharjah Art Foundation, mit ihrer Sammlung Kunst zu zeigen, die Ost-Ost- und Süd-Süd-Bündnisse postuliert und diese an einem Schnittpunkt zusammenzuführen, um eine fruchtbare Grundlage für eine vielstimmige und inklusive Kunstgeschichte zu schaffen.Ausstellung:Deichtorhallen Hamburg, 28/10/2022 - 14/3/2023KünstlerInnen:Bani Abidi, Sarah Abu Abdallah, Etel Adnan, Latif Al Ani, Khadim Ali, Halil Altindere, Minam Apang, Rasheed Araeen, Thuraya Al Baqsami, Shiraz Bayjoo, Semiha Berksoy, Huma Bhabha, Huguette Caland, CAMP, Tony Chakar, Saloua Raouda Choucair, Tiffany Chung, Monir Shahroudy Farmanfarmaian, Simone Fattal, Marcos Grigorian, Abbas Habiballa, Joana Hadjithomas & Khalil Joreige, Rokni Haerizadeh, Taloi Havini, Susan Hefuna, Adam Henein, Lubaina Himid, Emily Jacir, Hayv Kahraman, Ali Kazim, Amal Kenawy, Aisha Khalid, Anuar Khalifi, David Koloane, Farideh Lashai, Tala Madani, Taus Makhacheva, Jumana Manna, Marwan, Ibrahim Massouda, Ahmed Mater, Ahmed Morsi, Fateh Moudarres, Michael Rakowitz, Marwan Rechmaoui, Ibrahim El-Salahi, Mohan Samant, Hrair Sarkissian, Hassan Sharif, Wael Shawky, Anwar Jalal Shemza, Ahmed Shibrain, Shahzia Sikander, Rayyane Tabet, Richard Lokiden Wani, Nari Ward, Lionel Wendt, Kamal Youssef, Akram Zaatari
The Emergency Will Replace the ContemporaryIm September 2020 konzipierte der in Kopenhagen lebende Künstler Thierry Geoffroy / Colonel, geb. 1961 in Nancy, Frankreich, THE AWARENESS MUSCLE TRAINING CENTER im Museum Villa Stuck in München. Im Anschluss an dieses intensive partizipatorische Ausstellungsprojekt entstand die Idee, die erste umfassende Monografie zum facettenreichen Werk des Künstlers in den letzten vierzig Jahre zu erstellen. Die Publikation umfasst alle künstlerischen Formate, darunter die prominentesten - Emergency Room, Critical Run und Biennalist -, die in der ganzen Welt realisiert wurden. Ebenso beleuchtet werden die mit Colonels Aktivitäten verbundenen physischen Kunstwerke, die von Fotografie über Bewegtbilder bis hin zur Malerei reichen. Weiteres Element der Publikation ist eine vollständige Chronologie, die Geoffroys künstlerischen Aktionsradius dokumentieren. In den begleitenden Texten geht eine internationale Autorschaft auf die verschiedenen Aspekte des Werkes ein und erläutert, wie seine künstlerische Praxis mit konzeptuellen Mitteln sowie ortsspezifischem Ansatz die Aufmerksamkeit auf Manifestationen der Macht und der Ungerechtigkeit lenken.
Löffelhardts Buch der hängenden WolkenobjekteDas Buch gibt einen Überblick über die Gruppe der hängenden Wolkenobjekte (2010-2020) von Stefan Löffelhardt. Im zeitlichen Entwicklungsbogen seines Werks liegen die Wolkenobjekte zwischen den großen Landschaftsinstallationen im Raum und den aktuellen Zeichnungen innerer Landschaften. Die Objekte entwickelten sich aus den begehbaren Installationen über die modellhafte Schiffsskulpturen und die hängenden Konstruktionen städtischer Landschaft, wie sie in den Katalogen »Blachfeld« (2003), »Löffelhardt« (2008), »Tal Grund/ The Valley Floor« (2009) und »Tisch« (2016) dokumentiert sind. Die Abbildungen folgen chronologisch in etwa dem Entstehungsdatum der Objekte. Dazu kommen Ansichten aus den Ausstellungen »Fluss«, 2018 bei Aurel Scheibler in Berlin, und »Schönheit?!«, kuratiert von Anne-Marie Bonnet 2019/20 bei Gisela Clement in Bonn. In der Ausstellung »ab8«, 2017 in der Galerie Ute Parduhn in Düsseldorf, wurden einige der Objekte zum ersten Mal gezeigt. Im Mittelteil des Buchs findet sich ein Auszug aus einem Gespräch zwischen Wolfgang Ullrich und Stefan Löffelhardt, das 2018 im Rahmen der »Fluss«-Ausstellung geführt wurde. Im hinteren Teil finden sich einige Collagen von 2010, die in einem engen Zusammenhang mit den hängenden Objekten stehen und den Wunsch nach Verwolkung des Alltags zeigen. Den Zeichnungen, die zeitlich parallel zu den Wolkenobjekten ab 2010 entstanden sind, wird sich eine weitere Publikation widmen.
Dóra Maurer nimmt eine Sonderstellung einDóra Maurer (*1937, lebt in Budapest) gilt als prominente Vertreterin der Neo-Avantgarde. Sie gehört damit zu den KünstlerInnen, die seit den 1960er Jahren progressive Wege jenseits der offiziellen staatlichen Kulturpolitik Ungarns beschritten haben. Ihre Arbeiten, die Grafik, Fotografie, Film, Aktionskunst und Malerei umfassen, zeigen klare konzeptuelle Herangehensweisen, wobei als die zentralen Aspekte Wahrnehmung, Bewegung, Verschiebung und Transformation zu nenen sind. Die Abstraktion, insbesondere diejenige der frühen Jahre der Bundesrepublik Deutschland, kann heute als eine politische »Bereinigung« eingestuft werden, stand sie doch stellvertretend für die »offene Gesellschaft«. Entsprechend sind zahlreiche Sammlungen in deutschen Museen ausgerichtet, darunter auch die der Kunsthalle Bielefeld (Ausstellung von Dóra Maurer in Bielefeld: 29/1-15/5/2022). In ehemaligen Ostblockländern wie Ungarn aber, hatte die Abstraktion eine »oppositionelle« Konnotation. Durch die Nicht-Gegenständlichkeit ihrer Arbeiten, die im Gegensatz zur offiziellen Vorgabe des Sozialistischen Realismus stand, nimmt Dóra Maurer eine Sonderstellung ein. Verstärkt wurde das durch ihre Kontakte und Reisen in den Westen, die für sie aufgrund ihrer doppelten ungarischen und österreichischen Staatsbürgerschaft schon vor 1989 möglich waren. Ihre Experimente in den Medien Fotografie und Film in den 1970er Jahren sowie ihre auf prozessualer Verschiebung beruhenden abstrakt-geometrischen Arbeiten weisen eine offensichtliche fomale Parallelität zur Nachkriegskunst Westeuropas und der USA auf. Tatsächlich jedoch sind ihre Arbeiten ohne die Erfahrung des Lebens unter dem kommunistischen Regime nicht zu denken.
Die Sammlung war zu Beginn nicht als eine solche geplant»Die Sammlung war zu Beginn, wie es mit den meisten Sammlungen so ist, nicht als eine solche geplant. Es ging darum, sich mit Unbekanntem, Unverständlichem zu beschäftigen und zu umgeben. Es ging um die Faszination des Handwerks und darum, dieser Faszination in der eigenen Wohnung Raum zu geben, um sich des ständigen Reizes des Lebens bewusst zu bleiben. Hereingeholt hat sich der Sammler die Tiefen des Unbewussten, der Philosophie, der Maltechnik, und er hat sich damit zugleich das wilde umtriebige Berlin in die eigenen beschaulichen vier Wände geholt. Begeben wir uns auf die Spurensuche dieser Sammlung, folgen wir den verschiedenen (un)zuverlässigen Erzählenden. Mögen diese Erzählenden Sammelnde sein, Galeristinnen, Autoren oder Betrachtende - was bleibt, sind ihre Geschichten. Geschichten von Ein-Tages-Ausstellungen für dänische ThronanwärterInnen mit anschließendem Gelage oder von gerade so für die Ausstellung fertigen Bildern, die es nicht mehr in den Ausstellungskatalog geschafft haben - wg. Redaktionsschluss. Geschichten von Bildern, die nach Ankauf für die eigene Wohnung erst einmal über Jahre in Museen verschwinden, von rauschenden Partys nach und vor Eröffnungen, einfach so … Das Metaphysische der Kunst ist zeitlos und gerade deshalb Zeitmaschine, einzelne Kunstwerke hingegen sind es nicht. Sie sind immer Ausdruck einer Zeit, ob sie es wollen oder nicht, und erzählen deshalb auch die Geschichte ihrer Zeit: ihre Entstehungsgeschichte, eine Ausstellungsgeschichte, eine Sammlungsgeschichte, eine Preisgeschichte. Auch diese Sammlung erzählt eine spezielle Zeitgeschichte. Möchte man erneut einer unzuverlässigen Erzählerin folgen, so erzählt diese Sammlung von einem Berlin der 1990er und 2000er Jahre, in dem so vieles möglich war, weil es große Räume für wenig Geld gab. Die Sammlung erzählt eben auch von Hinterhofgalerien, improvisierten Projekträumen, die später zu Institutionen wurden und vom ›Club Berlin‹, der Partys mit Kunst, Techno mit Politik zusammenbrachte.« Katharina HajekKünstlerInnen:John Baldessari, Carol Bove, Louise Bourgeois, Marc Bradford, Nathalie Djurberg, Marlene Dumas, Marcel Eichner, Günther Förg, Theaster Gates, Adrian Ghenie, Nan Goldin, Thomas Hirschhorn, Jenny Holzer, Thomas Houseago, Mike Kelley, Martin Kippenberger, Sherrie Levine, Jonathan Meese, Gabriele Orozco, Rymond Pettibon, Sigmar Polke, Richard Prince, Janne Räisänen, Anselm Reyle, Jason Rhoades, Daniel Richter, Gerhard Richter, Gregor Schneider, Dana Schutz, Cindy Sherman, Dash Snow, Philip Taaffe, Tal R, Kara Walker, Wawrzyniec Tokarski, David Weiss & Peter Fischli, Rachel Whiteread, Marlon Wobst
Anselm Reyle in HeilbronnAnselm Reyle gehört zu den international renommiertesten deutschen KünstlerInnen seiner Generation. In Tübingen geboren und in Heilbronn aufgewachsen, wird er nun die gesamte Kunsthalle Vogelmann bespielen. Die Liste seiner Ausstellungsorte liest sich wie das Who's Who der Kunstwelt: von der Kunsthalle Zürich bis zum Palazzo Grassi in Venedig, von den Deichtorhallen Hamburg bis zur Kunsthalle Tübingen. Seine Kooperationen, z. B. mit Dior für eine exklusive Handtaschenserie, sind legendär. Auf verblüffende Weise mischt Anselm Reyle Stile, Farben und Materialien, arbeitet mit Autolack, PVC- und Spiegel-folie, Sprühfarbe, LED-Leuchten, Beton oder Ton. Fundstücke als Ausgangsmaterial spielen in seinem Werk immer wieder eine herausragende Rolle, wobei es sich dabei ebenso um Elemente aus den Werken anderer KünstlerInnen wie um Alltagsobjekte, Architekturen oder auch um Design handeln kann. Entsprechend bestimmen Reflexion, Aneignung, Um- und Neuformulierung seine Arbeitsweise. Die BetrachterInnen verfangen sich denn auch im überraschenden Beat gegensätzlicher formaler wie materieller Samplings, in denen sich das gesamte Bildrepertoire moderner abstrakter Bildfindung wiederfindet. Das geplante Buch wird die in Heilbronn vor Ort entstehenden raumgreifenden Wandarbeiten zeigen, die neueste Werkserie mit Bildern auf Sackleinen präsentieren und auch einen Blick auf Anselm Reyles früheres Schaffen werfen.Ausstellung:Kunstverein Heilbronn, 8/7 - 23/10/2022
IF NOT NOW WHEN?Barthélémy Toguo (*1967) stellt in seiner künstlerischen Praxis hoch aktuelle Fragen zu Identität und gesellschaftlicher Zugehörigkeit und thematisiert Migration, Flucht, Vertreibung und jene Einschränkungen, die sich durch territoriale Grenzen und Hoheitspolitik ergeben. Vor dem Hintergrund seiner doppelten kame- runisch-französischen Staatsbürgerschaft nimmt er eine explizit anti-eurozentrische Haltung ein. Seine Aufmerksamkeit richtet sich auf die Ursachen ökologischer Verwerfungen und deren gesellschaftliche Konsequenzen. Stichworte in diesem Zusammenhang sind: Trink- und Brauchwassermangel, Fehlentwicklungen in der Landwirtschaft, Auswirkungen der Klimaveränderung, Korruption, Krieg, mangelnde ökonomische Entwicklungsperspektiven etc. In seinen Arbeiten, seien sie der Malerei, Zeichnung, Skulptur, Performance oder Installation zuzurechnen, verbindet er das Humane mit der Natur: »Was mich leitet, ist eine sich ständig weiterentwickelnde Ästhetik, aber auch ein Sinn für Ethik, der einen Unterschied macht und meinen gesamten Ansatz strukturiert.« Das Buch zeigt eigens für die Esslinger Ausstellung neu entstandene Werke, Remakes sowie adaptierte Installationen. Zudem präsentieren Buch und Ausstellung eine kleine retrospektive Übersicht zum Werk des Künstlers.Ausstellung:Villa Merkel Galerie der Stadt Esslingen, 7/8 - 23/10/2022
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